Babyklappen in NRW Wenn Neugeborene anonym abgegeben werden

DÜSSELDORF · In NRW sind im vergangenen Jahr mindestens sieben Neugeborene anonym bei Krankenhäusern abgegeben worden. Die Gründe für einen solchen Schritt sind vielfältig. Und: Es muss kein Abschied für immer sein.

Die Babyklappe des St. Johannes Hospital in Duisburg-Hamborn ist nicht leicht zu finden. Sie liegt schwer einsehbar an der Rückseite des Gebäudes. „Das ist bewusst so gemacht“, sagt Regina Lange, Leiterin der Kinderintensivstation des Krankenhauses. Die Frauen, die dort ihr Neugeborenes ablegen, sollen sich geschützt fühlen, vor möglichen Blicken Dritter abgeschirmt werden. „Das ist extrem wichtig, weil diejenigen, die sich für einen solchen schweren Schritt entscheiden, absolute Anonymität wünschen und auch benötigen“, erklärt sie.

In Nordrhein-Westfalen gibt es 25 Babyklappen, bundesweit sind es rund 100. Nach Angaben von SterniPark, einem gemeinnützigen freien Träger, der vor 18 Jahren die erste Babyklappe in Deutschland in Hamburg eröffnet hat, werden in NRW jedes Jahr durchschnittlich zwei Babys in solche Klappen gelegt. Im vergangenen Jahr sind es aber deutlich mehr gewesen, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergeben hat. Ein zentrale Stelle, die alle Fälle erfasst, gibt es bislang nicht. So sind in NRW im Jahr 2017 mindestens sieben Babys auf dieses Weise abgegeben worden, allein drei im Duisburger St. Johannes Hospital.

Woran das liegt, kann Regina Lange nicht sagen. Und Mutmaßungen möchte sie nicht anstellen. Es gibt aber auch Babyklappen, in denen kaum oder überhaupt noch nie ein Kind gelegt worden ist wie zum Beispiel in Gelsenkirchen, wo in den vergangenen vier Jahr gar keines abgegeben worden ist. In Aachen ist es in den zurückliegenden zehn Jahren nur ein Säugling gewesen, in Hagen drei Babys in zehn Jahren.

Kind kann zurückgeholt werden

Die Gründe, wieso Mütter ihre Babys auf diese Weise abgeben, seien sehr unterschiedlich, sagt Heidi Kaiser, Geschäftsführerin von Sterni-Park. In der Regel aber sei es pure Verzweiflung. Schließlich fiele es keiner Mutter leicht, ihr Kind wegzugeben. „Oft spielen Ängste eine Rolle, die die Mutter zu dieser Entscheidung führen“, betont Kaiser. Dazu zählten unter anderem: Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, fehlender Rückhalt in der Familie, mangelnde Erfahrung aufgrund eines zu jungen Alters als Mutter und eine ungewollte Schwangerschaft, bei der es für eine Abtreibung schon zu spät sei. „Betroffen sind nach unserer Erfahrung Frauen aus jeder Gesellschaftsschicht“, sagt Kaiser.

Die Babyklappe in Moers wird betrieben vom Sozialdienst katholischer Frauen. Sie nehmen das Kind, nachdem es in die Klappe gelegt worden ist, in ihre Obhut und versorgen es. Das Baby wird dann für etwa acht Wochen in einer Pflegefamilie untergebracht. „Während dieser Zeit haben die Eltern die Gelegenheit, über Ihre Entscheidung nachzudenken und diese gegebenenfalls rückgängig zu machen“, heißt es beim Sozialdienst katholischer Frauen. Strafrechtliche Folgen habe man selbstverständlich nicht zu erwarten.

Die Möglichkeit, das eigene Kind innerhalb von zwei Monaten wieder zurückholen zu können, sei für die Mutter ein erster Schritt in ein Netzwerk aus Hilfen einzusteigen, betont Kaiser. „Erstes Ziel sollte es immer sein, Mutter und Kind wieder zusammenzubringen“, sagt sie. Aber das gelingt höchstens in einem Drittel der Fälle. „In Hamburg konnten von 51 Kindern 16 Mütter kennenlernen, die ihre Babys zurückgeholt haben“, betont die Geschäftsführerin von Sterni-Park.

Kampf um das Leben jedes Babys

Die Idee zur Gründung der Babyklappen sei ihr beim Lesen eines Zeitungsartikels über ein tot aufgefundenes Neugeborenes gekommen „Der Artikel hat mich so aufgeregt. Ich habe gedacht, da muss man doch etwas machen“, sagt Kaiser. Und das offensichtlich mit Erfolg. So hat es seit Jahren in Hamburg keine getöteten und ausgesetzten Babys mehr gegeben.

„Das ist ein toller Erfolg, der sich auch in anderen Großstädten in NRW abzeichnet. Die Babyklappe rettet Leben“, sagt Kaiser. Das kann auch Regina Lange nur bestätigen „Für ein einziges Kind, das dort hineingelegt wird, hat sich die Einrichtung schon gelohnt“, sagt die Leiterin der Kinderintensivstation des St. Johannes Hospital. Man kämpfe um das Leben jedes Babys. „Um die zu früh geborenen und die kranken Kinder“, sagt sie.

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