Straßenverkehr in NRW Wenn Baustellen Vorfreude auslösen

Köln/Bonn · In den vergangenen 15 Jahren hat Nordrhein-Westfalen einen großen Teil des Geldes wieder an den Bund zurückgegeben, das für den Bau von Straßen vorgesehen war. Das soll sich jetzt ändern. Für Autofahrer heißt das vermutlich: Die Staus werden noch länger.

Wer im Berufsverkehr auf den NRW-Autobahnen unterwegs ist, braucht Geduld. Neu ist dieser Umstand zwar nicht. Auch in früheren Jahren stauten sich die Fahrzeuge oft über viele Kilometer, doch so viele Staus wie in diesem Herbst gab es an Rhein und Ruhr noch nie. Jedenfalls nach dem Eindruck vieler Pendler. Ein offizieller Rekord steht dabei schon fest: Am 25. Oktober ist laut ADAC zum ersten Mal die 400-Kilometer-Marke geknackt worden – um 8.28 Uhr gab es genau 410 Kilometer Stau in NRW.

Oft in der Fahrzeugschlange stehen die Lastwagen vom CTS Container-Terminal im Niehler Hafen. Aus Antwerpen und Rotterdam kommen die Container per Schiff nach Köln, von wo aus sie für die letzten Kilometer auf der Straße weitertransportiert werden, etwa in den Chempark Leverkusen. Bis vor drei Jahren waren es pro Strecke nur 15 Kilometer, wie Christian Zobel erzählt, der am Terminal für den Vertrieb zuständig ist.

Doch seitdem die Leverkusener Brücke für Lastwagen gesperrt ist, müssen seine Fahrzeuge über die Rodenkirchener Brücke im Kölner Süden ausweichen – ein Umweg von 40 Kilometern. „Wir brauchen mehr Kraftstoff, der Verschleiß ist höher und es dauert länger“, beschreibt Zobel. Alles Kostentreiber für das Unternehmen. Die Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) hat ausgerechnet, dass jeder Tag ohne Leverkusener Brücke die Betriebe rund 1700 Euro kostet. „Den Kunden interessiert all das aber nicht. Wir bekommen von denen natürlich keinen Zuschlag für die marode Brücke“, sagt Zobel.

Leverkusener Brücke 2023 fertig

An diesem Morgen sitzt er bei einem IHK-Kongress in einem Düsseldorfer Hotel und will von Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) wissen, wie lange es denn dauert, bis seine Lastwagen wieder bei Leverkusen über den Rhein fahren können. „Der erste Abschnitt wird 2020, die gesamte Brücke 2023 fertig sein“, sagt Groschek. Keine berauschende Perspektive für Logistiker Zobel. Und auf anderen Strecken wird es auch nicht besser – jedenfalls vorerst.

Groschek hat schließlich das „Jahrzehnt der Baustellen“ ausgerufen. Doch der Minister verbindet damit nicht in erster Linie Behinderungen für die Autofahrer, sondern die Freude auf das, was danach kommt. Er wünsche sich, dass Baustellen positiv bewertet werden. „Das wäre Ausdruck einer Mentalität, die verstanden hat, dass es jetzt darauf ankommt, Wachstum und Wohlstand aufrechtzuerhalten“, sagt Groschek.

Schützenhilfe erhält er dabei von den Unternehmern im Land. „Nicht schimpfen oder uns aufregen, sondern versuchen, Lösungen beim Baustellen- und Unfallmanagement zu finden“, das müsse die Devise sein, damit der Verkehr auf den Autobahnen trotz der vielen Baustellen so gut wie möglich fließt, sagt NRW-IHK-Präsident Ralf Kersting. Positiv wertet er, dass das Land im Hinblick auf den vor wenigen Tagen beschlossenen Bundesverkehrswegeplan „erstmals in seiner Funktion als großes Transitland wahrgenommen“ werde.

Sprich: So viel Geld wie Nordrhein-Westfalen erhält kein anderes Bundesland. Allein für jene Baumaßnahmen, die schon fest disponiert sind oder die zum sogenannten vordringlichen Bedarf zählen, soll NRW laut Düsseldorfer Verkehrsministerium 7,1 Milliarden Euro oder 37 Prozent der gesamten Bundesmittel für diesen Bereich erhalten. „Sofortmaßnahmen zur Staubeseitigung“ wird dieser Topf genannt.

Kampf um die Lorbeeren

Doch die Opposition will den Minister nicht allein die Lorbeeren ernten lassen. So spricht Oliver Wittke, einer von Groscheks Vorgängern im Land und inzwischen CDU-Verkehrspolitiker im Bundestag, vom „größten Infrastrukturprogramm, das es je gab“. Angestoßen worden sei dies von der Unions-geführten Bundesregierung. CDU-Landeschef Armin Laschet heftet sich das Verdienst ans Revers, dass die NRW-CDU sich erfolgreich bei der Bundesregierung „für unser Bundesland eingesetzt“ habe. Nun komme es darauf an, dass die Landesregierung zügig plane, um all das, was in den sogenannten vordringlichen Bedarf eingestuft wurde, bis 2030 zu bauen. Damit nicht wieder das passiert, was seit 15 Jahren das Problem in NRW ist – dass nämlich der Bund Geld zur Verfügung stellt, das Land aber zu wenige Straßenbauplanungen in petto hat.

Acht Milliarden Euro hätten aus Berlin nach NRW fließen können, doch es wurden nur 4,9 Milliarden verbuddelt, teilte die Bundesregierung im September mit. Am Düsseldorfer Ruder waren zu der Zeit zunächst Rot-Grün, dann Schwarz-Gelb und seit 2010 wieder Rot-Grün. Selbstkritisch spricht der Sozialdemokrat Groschek denn auch beim IHK-Verkehrskongress von „einem Jahrzehnt des Ausplünderns von Planstellen“ beim Landesbetrieb Straßen NRW und fügt hinzu, „ich persönlich werde mich darum kümmern, dass wir mehr Planungsingenieure kriegen“.

Derzeit geht die Anzahl der Studenten, die Bauingenieur werden wollen, allerdings zurück. Zudem konkurrieren viele Kommunen, Länder, der Bund und natürlich auch die Wirtschaft um die besten Ingenieure. Von daher dürfte fraglich sein, ob all das, was die Planer wollen, in den nächsten Jahren umgesetzt werden kann. Im südlichen Rheinland zum Beispiel:

  • A 1: Ausbau zwischen Köln-Niehl und Kreuz Leverkusen-West inklusive des Neubaus der Rheinbrücke Leverkusen (Bau ab 2017).
  • A 565: Instandsetzung und Verstärkung der Bonner Nordbrücke (voraussichtlich ab 2018).
  • A 565: Neubau des „Tausendfüßlers“ in Bonn (wohl ab 2020).

Noch nicht terminiert, aber auch im vordringlichen Bedarf sind folgende Projekte eingestuft:

Zusätzliche Fahrstreifen auf der A 3 zwischen Königsforst und dem Dreieck Heumar, auf der A 4 zwischen den Kreuzen Köln-Süd und Gremberg sowie zwischen Moitzfeld und dem Kreuz Köln-Ost, auf der A 59 zwischen den Kreuzen Bonn-Ost und Porz, auf der A 61 zwischen den Kreuzen Meckenheim und Bliesheim und auf der A 565 zwischen Hardtberg und dem Kreuz Bonn-Nord.

Der Bau der Rheinbrücke zwischen der A 555 bei Wesseling und der A 59 bei Porz-Lind.

Der Lückenschluss der A1 zwischen Blankenheim und Kelberg.

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