Opferschutzorganisation Weißer Ring grenzt sich von der AfD ab

Mainz · Die Opferschutzorganisation Weißer Ring will sich klar von der AfD abgrenzen. Hintergrund ist auch ein Vorfall in Nordrhein-Westfalen. Ihr Vorsitzender wirft der Partei vor, sie schüre Ängste.

Der Weiße Ring grenzt sich demonstrativ von der AfD ab und will damit ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen.

"Wir haben den Eindruck, dass die AfD Ängste schürt und durch ihre Rhetorik Feindbilder aufbaut", sagte der neue Bundesvorsitzende des Opferschutzvereins, Jörg Ziercke, im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Unsere große Sorge ist, dass dies zu mehr Gewaltopfern führen wird."

Der Bundesvorstand des Weißen Rings hatte die Abgrenzung einstimmig beschlossen. Der Hintergrund ist, dass ein Ortsverband der AfD in Rösrath bei Köln Anfang September nach Angaben des Weißen Rings ohne Abstimmung mit ihm das Logo des Opfervereins verwendet hat, um Spenden für den Verein zu sammeln. "Das hat uns empört und ist ein klarer Angriff auf das Vertrauen der Opfer", sagte Ziercke.

Die AfD im Rheinisch-Bergischen Kreis entschuldigte sich. Die AfD sei wie alle teilnehmenden politischen Parteien eines Straßenfestes zu einer gemeinnützigen Spende aufgerufen gewesen und habe sich ohne Hintergedanken für den Weißen Ring entschieden, erklärte der Sprecher des Kreisverbands, Thomas Kunze. "Da in der AfD niemand auch nur im entferntesten auf die Idee gekommen war, dass irgendjemand daraus auf eine "gemeinsame Aktion" und somit auf eine Unterstützung seitens des Weißen Rings für die AfD schließen könnte, hielt der Kreisvorstand - fälschlicherweise - auch eine Rückfrage nicht für erforderlich." Dafür und für die Verwendung des Vereinslogos "möchte sich die AfD hiermit öffentlich und aufrichtig entschuldigen".

In ihrem Verhaltenskodex hat die Opferschutzorganisation festgelegt, dass die Mitarbeiter die Würde des betroffenen Menschen unabhängig von der Herkunft, dem Alter, dem Geschlecht, der Weltanschauung, der politischen Überzeugung und der sexuellen Orientierung respektieren. "Wir lehnen daher jegliche Form der Instrumentalisierung ab - egal von welcher Partei oder Bewegung", sagte Ziercke. Der Verein trennt davon den Umgang mit Opfern. "Das heißt nicht, dass nicht jedes Opfer versorgt wird", sagte Ziercke. "Wir helfen allen. Wir nehmen aber keine Spenden der AfD an."

Der frühere Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) wurde auf der Delegiertenversammlung Mitte September in Hannover zum neuen Bundesvorsitzenden des Vereins gewählt. In dem Ehrenamt kann Ziercke Erfahrungen aus seiner früheren Arbeit einbringen. "Mir macht es sehr viel Freude, dass man jetzt sozusagen nicht mehr dem Täter auf der Spur ist, sondern den Opfern helfen kann, in der Spur zu bleiben."

Der Weiße Ring will nach dem Verdacht sexueller Belästigung gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Vereins in Lübeck Konsequenzen ziehen. "Wir mussten leider feststellen, dass einer unserer eigenen Mitarbeiter unsere Standards verletzt und die Grenze zwischen Nähe und Distanz nicht eingehalten hat. Dieser Fall in Lübeck ist ein Alarmsignal für alle Opferorganisationen", sagte Ziercke. "Wir müssen uns noch stärker mit der persönlichen Integrität beschäftigen."

Das eingeführte Sechs-Augen-Prinzip bei Beratungsgesprächen hat nach seinen Angaben für Aufregung im Weißen Ring gesorgt. "Das ist aber kein Generalverdacht. Dies soll auch unsere Mitarbeiter schützen", sagte der Bundesvorsitzende. "Wir wollen diese Diskussion mit unseren 3000 Ehrenamtlern führen. Wir streben Regionalkonferenzen an, um im Dialog vor Ort deutlich zu machen, welche Konsequenzen wir aus Lübeck gezogen haben."

Der Weiße Ring vergab im ersten Halbjahr dieses Jahres nach eigenen Angaben 7469 Opferhilfen mit finanzieller Unterstützung, im Vorjahreszeitraum waren es 6731 Opferhilfen. Das entspricht einem Plus von 9,6 Prozent.

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