Streit mit CSU-Chef Seehofer Was für und was gegen Angela Merkel spricht

Berlin · Trotz neuerlicher Aussprache kann der Streit mit CSU-Chef Seehofer die Kanzlerin das Amt kosten – muss er aber nicht. Am Sonntag haben sich die Spitzenpolitiker erneut getroffen.

Sie spre­chen fast täg­lich mit­ein­an­der oder schrei­ben sich SMS. Bei­zu­le­gen ver­mocht ha­ben sie ih­ren Grund­satz­streit in der Flücht­lings­fra­ge den­noch nicht. Wenn er dann, wie jetzt nach dem Wahl­de­ba­kel in Me­cklen­burg-Vor­pom­mern wie­der ein­mal es­ka­liert, tref­fen sich die bei­den Macht­po­li­ti­ker An­ge­la Mer­kel und Horst See­ho­fer auch von An­ge­sicht zu An­ge­sicht. Die Un­ter­re­dung von CDU-Che­fin und CSU-Chef am Sonn­tag im Ber­li­ner Kanz­ler­amt ist der jüngs­te Ver­such ge­we­sen da­für zu sor­gen, dass die „Uni­on“ wie­der hält, was sie in ih­rem Na­men ver­spricht. Um par­tei­po­li­ti­sche Fol­klo­re näm­lich geht es längst nicht mehr, in­zwi­schen steht mög­li­cher­wei­se so­gar der Job der Bun­des­kanz­le­rin auf dem Spiel.

Ge­fähr­lich ist für sie nicht nur der Ge­gen­wind aus der CSU, son­dern dass sich auch vie­le in der CDU, die die mi­se­ra­ble Stim­mung an der Ba­sis ken­nen, hin­ter der Mün­chner Schwes­ter­par­tei ver­ste­cken. Bis­her sind es nur ein­zel­ne christ­de­mo­kra­ti­sche Stim­men und nicht un­be­dingt aus den er­sten Rei­hen, die ih­re Vor­sit­zen­de of­fen kri­ti­sie­ren – der ost­deut­sche Bun­des­tags­ab­geord­ne­te Ar­nold Vaatz et­wa, der nichts vom „Wei­ter-so-Ge­re­de“ Mer­kels „von oben he­rab“ hält, oder Wolf­gang Rein­hardt, der im Stutt­gar­ter Land­tag der Frak­ti­on vor­steht und sich die Flücht­lings­po­li­tik der Kanz­le­rin „res­trik­ti­ver“ wünscht. In­tern ha­ben sich je­doch schon viel mehr Mer­kel-Kri­ti­ker da­rauf ver­stän­digt, zwar bis zur Ber­lin-Wahl am kom­men­den Sonn­tag noch „die Fü­ße still hal­ten“, aber da­nach nicht mehr schwei­gen zu wol­len. Sie se­hen, dass Mer­kel – an­ders als noch in der Eu­ro­kri­se – im Au­gen­blick nicht mehr der Ga­rant für Uni­ons­mehr­hei­ten ist. Be­män­gelt wird zu­dem, dass vie­le in der Par­tei nicht mehr zu ih­rer Vor­sit­zen­den durch­drin­gen. Sie hö­re nur noch auf Kanz­ler­amt­schef Pe­ter Alt­mai­er und ih­re Bü­ro­lei­te­rin Be­ate Baum­ann als engs­te Ver­trau­te, heißt es.

Aus­ge­schlos­sen scheint ei­ne Ab­lö­sung noch vor der Bun­des­tags­wahl in ei­nem Jahr – da­für ist die Uni­on viel zu sehr Kanz­ler­wahl­ver­ein. Für Mer­kel alar­mie­rend ist je­doch, dass ihr kri­tisch ge­son­ne­ne Bun­des­tags­ab­geord­ne­te das Sze­na­rio schon durch­ge­spielt ha­ben und zum Schluss ge­kom­men sind, dass nicht nur ei­ne gu­te Al­ter­na­ti­ve fehlt, son­dern die SPD kaum für ei­nen neu­en Uni­ons­kanz­ler­kan­di­da­ten stim­men dürf­te und ver­sucht sein könn­te, die rot-rot-grü­ne Mehr­heit im Bun­des­tag für sich zu nut­zen – die Uni­on wä­re das Kanz­ler­amt los.

Und so kon­zen­trie­ren sich die Spe­ku­la­tio­nen vor al­lem da­rauf, ob An­ge­la Mer­kel 2017 er­neut als Kanz­ler­kan­di­da­tin der Uni­on an­tritt. Sie hat sich noch nicht da­zu ge­äu­ßert, war­tet ab, bis ei­ne ge­schloss­ene Uni­on hin­ter ihr steht. Ob das ge­lingt, scheint im Au­gen­blick je­doch frag­lich. Ge­schei­tert ist Mer­kels Stra­te­gie, mit ei­ner nach­träg­li­chen Be­gren­zung der Zu­wan­de­rung, die Par­tei zu be­frie­den. Die ak­tu­ell nie­dri­gen Zah­len be­ein­drucken die Pro­test­wäh­ler und des­halb auch die in­ter­nen Kri­ti­ker mit See­ho­fer an der Spit­ze nicht. Ih­re Haupt­for­de­rung ist nicht die im­mer wie­der ver­lang­te „Kurs­kor­rek­tur“, die längst statt­ge­fun­den hat, son­dern das Ein­ge­ständ­nis, ei­nen his­to­ri­schen Feh­ler be­gan­gen zu ha­ben. Das aber wird es von Mer­kel nicht ge­ben, da sie zu­tiefst da­von über­zeugt ist, in der da­ma­li­gen Not­si­tua­ti­on rich­tig ge­han­delt zu ha­ben.

Da passt ins Bild, dass der baye­ri­sche Mi­nis­ter­prä­si­dent den Spe­ku­la­tio­nen über ei­ne Rol­le für ihn in Ber­lin, nur all­zu ger­ne lau­fen lässt – man will die CDU-Che­fin auch 2017 un­ter­stüt­zen, wenn sie sich denn auf die CSU zu­be­wegt. Ei­nen For­mel­kom­pro­miss je­doch kann es in der Fra­ge, ob die Gren­zöff­nung für die in Un­garn ge­stran­de­ten Flücht­lin­ge An­fang Sep­tem­ber 2015 rich­tig oder falsch war, kaum ge­ben: Mer­kel wä­re viel­leicht noch mehr be­schä­digt als oh­ne­hin schon, wenn sie die hu­ma­ni­tä­re Ent­schei­dung von da­mals nun als falsch be­zeich­nen wür­de. Für See­ho­fer wie­der­um sind die bun­des­po­li­ti­schen Kol­la­te­ral­schä­den zwei­tran­gig im Ver­gleich zum ober­sten Ziel, 2018 die ab­so­lu­te CSU-Mehr­heit in Bay­ern zu ver­tei­di­gen. In die­ser Ge­men­ge­la­ge scheint ein CDU-Kanz­ler­kan­di­dat, der nicht den Na­men An­ge­la Mer­kel trägt, kei­ne so ab­we­gi­ge Idee.

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