Interview mit Ministerpräsident Daniel Günther Warum das Jamaika-Bündnis in Kiel geklappt hat

Bonn/Kiel · In Schleswig-Holstein hat funktioniert, was im Bund offenbar nicht klappt. Dort führt Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ein Jamaika-Bündnis. Im Interview erzählt er, was der Schlüssel dazu war.

 Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

Foto: dpa

Daniel Günther (CDU) führt in Kiel seit dem Frühsommer eine Jamaika-Koalition. Mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten sprachen Bernd Eyermann und Helge Matthiesen.

Warum funktioniert Jamaika in Schleswig-Holstein, aber im Bund offenbar nicht?

Daniel Günther: Wir haben das in Kiel hinbekommen, weil sich die handelnden Personen kannten und in den Gesprächen schnell ein Vertrauensverhältnis entstanden ist. Zudem haben wir uns als Parteien respektiert. Wir haben anerkannt, dass jede Partei bestimmte Wähler gewonnen hat, weil sie für Themen steht. Dann haben wir geguckt, welche Themen die Parteien im Koalitionsvertrag durchsetzen wollen. Mit gegenseitigem Respekt, Anerkennung und gewachsenem Vertrauen kriegt man solche Koalitionen hin. Das ist uns in Berlin leider nicht gelungen.

Gibt es bestimmte Regeln für Konflikte, ein Frühwarnsystem?

Günther: Einmal in der Woche treffen wir uns mit den Spitzen von Parteien, Fraktionen und Regierung zur Jamaika-Runde, um über Konflikte zu sprechen. Natürlich ist eine Koalition mit so unterschiedlichen Parteien nie konfliktfrei, aber wir bekommen das gut gelöst, indem wir sehen, wie wir uns entgegenkommen können.

Wird das Scheitern in Berlin die Arbeit in Kiel belasten?

Günther: Nein. Wir haben uns zu Beginn der Berliner Verhandlungen in die Hand versprochen, dass wir uns nicht beeinflussen lassen, auch wenn man dort nicht erfolgreich sein würde. Deshalb haben wir am Montag auch keine Einzelstatements abgegeben, sondern sind gemeinsam vor die Presse und in die Offensive gegangen. Für uns ist klar: Kiel ist nicht Berlin.

Glauben Sie, dass es in Berlin noch ohne Neuwahlen zu einer Koalition kommen kann?

Günther: Ich hoffe das sehr. Wir können den Menschen nicht erklären, dass CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP nicht in der Lage sind, eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Außerdem können wir den Bürgern nicht einfach sagen: Ihr habt falsch gewählt, deshalb muss eine Neuwahl stattfinden. Das macht auch deshalb keinen Sinn, weil wir wahrscheinlich bei einem ähnlichen Ergebnis landen würden. Dass der Bundespräsident jetzt mit jedem spricht und allen ins Gewissen redet, begrüße ich sehr.

Wird sich die SPD in die Pflicht nehmen lassen?

Günther: Die erste Reaktion nach der verlorenen Wahl, in die Opposition gehen zu wollen, habe ich ja noch verstanden, doch inzwischen kann die SPD niemandem mehr erklären, dass sie zwar von über 20 Prozent der Wähler gewählt worden ist, aber für eine Regierungsbildung nicht zur Verfügung steht. Es geht jetzt darum, dass Deutschland in Europa weiter eine starke Funktion wahrnimmt. Von daher appelliere ich an das Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten.

Halten Sie eine Minderheitsregierung in Deutschland für möglich?

Günther: Nein. Wir brauchen für vier Jahre eine Regierung, die sich auf eine breite Mehrheit stützt. Es mag in anderen europäischen Ländern andere Traditionen geben, in Deutschland nicht. Eine Minderheitsregierung würde dem Anspruch nicht gerecht werden, Stabilitätsanker in Europa zu sein.

Glauben Sie, dass die FDP die Tür, die sie zugeschlagen hat, noch einmal öffnet?

Günther: Ich wünsche mir, dass die FDP nochmal darüber nachdenkt, ob es sinnvoll ist, die Verhandlungen fortzusetzen. Ich halte Jamaika im Bund immer noch für das erfolgversprechendste Modell. Wir waren so weit, dass eine Einigung unmittelbar bevorstand.

Sie glauben tatsächlich, dass Jamaika noch eine Chance hat?

Günther: Wir haben schlicht und ergreifend die Pflicht, uns zusammenzuraufen. Und da ist mein Prä weiterhin für Jamaika und nicht für eine große Koalition.

Aber in Berlin fehlte doch das Vertrauensverhältnis. Kann das denn in relativ kurzer Zeit wachsen?

Günther: Das geht, auch wenn es am Anfang noch nicht so recht gefunkt hat. Wir hatten in Schleswig-Holstein zu Beginn auch eine Phase, in der es nicht reibungslos lief, mussten die Verhandlungen sogar für ein, zwei Tage unterbrechen. Danach hat sich das Vertrauen bei uns entwickelt und ist jetzt extrem belastbar.

Wenn es doch Neuwahlen gäbe: Hat Frau Merkel die Unterstützung der CDU?

Günther: Ja. Es ist gut, dass sie die starke Persönlichkeit der Union bleibt und in einem etwaigen Wahlkampf unser Zugpferd sein wird.

Glauben Sie, dass Gleiches in der CSU auch für Horst Seehofer gilt?

Günther: Ich will jetzt nicht so weit spekulieren, als dass wir unmittelbar vor Neuwahlen stünden. In den Verhandlungen hat er eine sehr gute Rolle gespielt. Er war ein Garant dafür, dass wir als Union zusammengestanden haben.

Für Sie wäre ein erneuter Urnengang der dritte Wahlkampf in einem Jahr. Hätten Sie denn Lust, über die Marktplätze zu ziehen?

Günther: Nein. Die Wahlkämpfe waren anstrengend. Ich hoffe, auch im Sinne der vielen Menschen, die ihre Stimme abgegeben haben und erwarten, dass daraus jetzt Politik gemacht wird, dass wir um einen Wahlkampf umhinkommen.

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