Kommentar zum Auftritt Mevlüt Cavusoglus in Solingen Würdiges Gedenken

Meinung | Solingen · Die Bedenken sind berechtigt, dass die türkische Regierung das Solingen-Gedenken ausnutzt, um ihre Anhängerschaft für die vorgezogenen Wahlen in der Türkei zu mobilisieren, kommentiert Eva Quadbeck.

 Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu.

Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu.

Foto: AP

Der Brandanschlag von Solingen gehört zu den schlimmsten rassistischen Verbrechen der bundesrepublikanischen Geschichte. Fünf türkischstämmige Menschen starben in dem Feuer, das Rechtsradikale gelegt hatten. Auch heute noch leiden die Hinterbliebenen und die Überlebenden. Die Toten sind in der Türkei begraben. Vor diesem Hintergrund kann man es einem türkischen Außenminister nicht verwehren, an einer 25-Jahr-Gedenkveranstaltung teilzunehmen und dort das Wort zu ergreifen – auch wenn in der Türkei Wahlkampf herrscht. Es wäre wahrscheinlich naiv anzunehmen, dass Cavusoglu allein das Gedenken an die Opfer und an die Hinterbliebenen in den Mittelpunkt stellt.

Die Bedenken sind berechtigt, dass die türkische Regierung das Solingen-Gedenken ausnutzt, um ihre Anhängerschaft für die vorgezogenen Wahlen in der Türkei zu mobilisieren und damit ihren anti-demokratischen Kurs zu festigen. Möglicherweise nutzt er die Gelegenheit auch, den Deutschen Vorhaltungen zu machen, türkische Bürger nicht ausreichend zu schützen. Dennoch sollte die deutsche Seite eine schrille Debatte wie im Jahr 2017 rund um das türkische Referendum und die damaligen Auftritte türkischer Politiker in Deutschland vermeiden.

Eine solche öffentliche Auseinandersetzung würde dem Anliegen eines würdigen Gedenkens in Solingen zuwiderlaufen. Vielmehr kann es nur das Ziel der deutschen Politik und der Zivilgesellschaft im Land sein, den Opfern und Hinterbliebenen Respekt entgegenzubringen. Zugleich muss der Gedenktag in Solingen ein Zeichen im Kampf gegen gewalttätige Rassisten setzen.

Der Auftritt ist kritisch zu sehen

Die besonnen vorgetragene Mahnung an die türkische Regierung, nur zum Anlass zu sprechen und das Leid der Opfer und Hinterbliebenen nicht für den Wahlkampf zu missbrauchen, ist angebracht. Jede Form von Drohungen hingegen läuft ins Leere. Was soll denn geschehen, wenn Cavusoglu dann doch für die AKP wirbt und gegen Erdogans Gegner hetzt?

Kritisch ist der Auftritt dennoch zu sehen. Die zugespitzte politische Lage in der Türkei, die mit willkürlichen Verhaftungen, Folter, einer verschärften Verfolgung der Kurden und Unterdrückung der Meinungsfreiheit einhergeht, bringt auch Unruhe in unser Land. Das autoritäre Erdogan-System spaltet auch die Türken in Deutschland.

Wie Cavusoglu seinen Auftritt am 29. Mai in Solingen gestaltet, ist unberechenbar. Aber unabhängig davon, ob er sich an die Spielregeln hält, wäre es klug, wenn die deutsche Seite eine hohe Präsenz zeigt. Viele prominente Stimmen, die sich an einem solchen Tag gegen Hass, Hetze, Rassismus und Gewalt erheben, können einen möglichen Wahlkampf-Auftritt des türkischen Außenministers einhegen. Wenn schon kein stilles Gedenken möglich ist, sollte man Cavusoglu zumindest nicht die Bühne alleine überlassen.

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