Kommentar zu Reformen zur inneren Sicherheit Vorschlag mit Tücken

Meinung | Bonn · Bei Thomas de Maizières Vorschlägen geht es um die grundgesetzliche Ordnung, den Föderalismus. Föderalismus ist mühsam, vor allem für den Bund, aber er hat einen großen Wert, meint GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

 Setzt den Ton für die kommenden Debatten: Thomas de Maizière.

Setzt den Ton für die kommenden Debatten: Thomas de Maizière.

Foto: dpa

Brauchen wir einen starken Staat, um mit aktuellen Bedrohungen zurechtzukommen? Nach den Erfahrungen der zurückliegenden Wochen und Monate wird kaum noch jemand widersprechen.

Die Hilflosigkeit von Polizei und Behörden angesichts Hunderttausender Flüchtlinge, wiederkehrende digitale Angriffe auf Unternehmen und Behörden und am Ende der Anschlag von Berlin haben deutlich gemacht, wie wichtig ein funktionierender und entscheidungsfähiger Staat im Zweifelsfalle ist, welche große Bedeutung Polizei und Geheimdienste haben, wenn es darauf ankommt.

Thomas de Maizière setzt den Ton für die kommenden Debatten, und es ist sicherlich kein Zufall, dass er das zu Beginn eines Wahljahres tut. Seine Vorschläge verdienen hohe Aufmerksamkeit, weil er Schwachstellen unseres Gemeinwesens benennt, die viel gravierender sind, als die Frage, ob mehr Videoüberwachung sinnvoll ist oder elektronische Gesichtserkennung.

Es geht um die grundgesetzliche Ordnung, den Föderalismus. Polizei, Verfassungsschutz und Katastrophenabwehr sind zu einem wesentlichen Teil Sache der Länder. Es liegt auf der Hand, dass diese kleinteilige Festlegung in Zeiten großer Bedrohungen nicht mehr zeitgemäß ist. Terroristen reisen in der Welt herum und nicht nur zwischen Düsseldorf und Berlin, eine Cyberattacke fragt nicht nach Ländergrenzen und Flüchtlingsströme erst recht nicht. Wie schädlich zum Beispiel die Kleinstaaterei beim Verfassungsschutz sein kann, belegt das Beispiel der NSU-Morde.

Ähnlich bunt und vielfältig der Umgang mit dem Thema Abschiebung, bei dem Länder ihre ganz eigene Politik machen, während der Bund versuchen muss, mit diesem Flohzirkus auf der europäischen Ebene zu großen Lösungen zu kommen. Reformen würden die Bundesregierung stärken. Dass der Innenminister diesen Vorschlag macht ist daher auch kein Wunder.

Nimmt man andere strittige Themen hinzu, wie die kaum nachvollziehbaren Unterschiede bei der Schulbildung, bei Hochschulen oder in der Wissenschaft, bei der Wirtschaftskraft und den Finanzen, dann wird aus de Maizières Vorschlag die Aufforderung zur Verfassungsreform, letztlich zur Entmachtung der Länder. Sie verlören die Reste ihrer Gestaltungsmöglichkeiten.

Aber Vorsicht. Starker Staat klingt angesichts von Bedrohungen gut, aber die Sache hat ihre Tücken. Das Grundgesetz hat die Zuständigkeiten mit Bedacht verteilt, weil die Verfassungsmütter und -väter nicht zu viel Macht in einer Hand sehen wollten. Gerade bei der Polizei ist das bis heute von Bedeutung. Föderalismus ist mühsam, vor allem für den Bund, aber er hat einen großen Wert.

Brauchen wir eine große Verfassungsreform? Nein, eine Nummer kleiner tut es auch. Reformen zur inneren Sicherheit sollten dort ansetzen, wo es um konkrete Probleme und Lösungen geht.

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