Arbeitgeber erwarten Einigung Vor Entscheidung: Wieder Warnstreik im öffentlichen Dienst

Berlin · Wieder stehen in großen Städten Bahnen still, Kitas bleiben zu, Müll wird nicht abgeholt. Die Gewerkschaft Verdi macht vor der nächsten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst nochmals Druck.

 Streikende in der Innenstadt von Jena.

Streikende in der Innenstadt von Jena.

Foto: Bodo Schackow

Vor der wahrscheinlich entscheidenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen haben erneut Tausende Beschäftigte die Arbeit niedergelegt.

Mit den Warnstreiks wollte die Gewerkschaft Verdi ihren Forderungen unter anderem nach einer besseren Bezahlung der Beschäftigten Nachdruck verleihen - von Sonntag an soll in Potsdam weiter verhandelt werden. Drei Viertel der Bürger haben einer Umfrage zufolge Verständnis für die Ausstände.

Die Warnstreikwelle soll am Freitag vorerst ihren Abschluss finden, mehr als 17.000 Beschäftigte befanden sich nach Verdi-Angaben im Ausstand. Am Donnerstag waren es rund 45.000 gewesen. In Frankfurt brauchten Pendler am Morgen viel Geduld auf dem Weg zur Arbeit. Straßenbahnen und U-Bahnen standen still, die Menschen mussten auf Busse und S-Bahnen oder andere Alternativen ausweichen. Zudem waren Müllabfuhr, Kitas, Krankenhäuser und die Stadtverwaltung betroffen. Auch in anderen Städten und Kreisen Hessens wurde zum Warnstreik aufgerufen. In Frankfurt beteiligten sich laut Verdi rund 3500 Beschäftigte an einer Demonstration in der Innenstadt.

Auch in Leipzig ruhte der Nahverkehr. Bis zum Nachmittag sollten Busse und Bahnen in den Depots bleiben. Zudem wurden in Sachsen und Sachsen-Anhalt in vielen Städten Kitas bestreikt. Auch in Halle und Halberstadt in Sachsen-Anhalt mussten Eltern sich um eine alternative Kinderbetreuung kümmern. In Dresden und Leipzig beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben mehr als 4000 Menschen an den Kundgebungen.

In Bochum und Mainz standen ebenfalls Busse und Bahnen still. In Hamburg streikten Mitarbeiter der Stadtreinigung. Rund 250 Beschäftigte demonstrierten in Jena, auch in Erfurt wurde gestreikt.

Verdi und der Beamtenbund dbb wollten Druck aufbauen für die dritte und voraussichtlich entscheidende Verhandlungsrunde. Die Gewerkschaften fordern für die rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro pro Monat.

Verdi-Chef Frank Bsirske wiederholte in Leipzig die Forderung der Gewerkschaften. Die höheren Gehälter könnten die öffentlichen Haushalte bei sprudelnden Steuereinnahmen auch zahlen. "Gute Leute, gute Arbeit, gutes Geld - das muss eine Einheit werden", sagte Bsirske. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst seien bereit, gute Arbeit abzuliefern.

Mit am Tisch sitzt in Potsdam auch erstmals Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als Verhandlungsführer des Bundes. Bsirske erwartet von ihm Kontinuität. "Ich habe Thomas de Maizière als harten, aber fairen Gesprächspartner erlebt, mit dem man konstruktiv verhandeln konnte. Das sollte sich mit Horst Seehofer nicht ändern."

Die kommunalen Arbeitgeber erwarten nach eigenem Bekunden einen Durchbruch bei den anstehenden Gesprächen. "Wir verhandeln mit den Gewerkschaften lösungsorientiert und gehen davon aus, dass wir in der kommenden Runde eine Einigung erzielen werden", sagte Klaus-Dieter Klapproth, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). Verbandspräsident Thomas Böhle hatte bereits am Donnerstag gesagt: "Ich denke, wir werden Anfang der Woche abschließen."

Die Bürger können die Warnstreiks mehrheitlich nachvollziehen. In dem am Freitag veröffentlichen neuen ZDF-"Politbarometer" äußerten 75 Prozent Verständnis, 23 Prozent haben dies nicht. Die Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt finden 54 Prozent angemessen, 36 Prozent halten sie für zu hoch, 6 Prozent für zu niedrig.

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