Diskussionen nach Amoklauf in München Von der Leyen löst Debatte um Einsatz im Inneren aus

BERLIN · Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lässt beim Amoklauf in München Feldjäger in erhöhte Bereitschaft versetzen. Damit löst die CDU-Politikerin eine Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren aus.

 Umstrittene Aktion: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ließ Freitagabend Feldjäger der Bundeswehr in München in Bereitschaft setzen.

Umstrittene Aktion: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ließ Freitagabend Feldjäger der Bundeswehr in München in Bereitschaft setzen.

Foto: dpa

Der Fall, den Ursula von der Leyen (CDU) noch vor zwölf Tagen theoretisch skizzierte, wäre am Freitagabend in München (fast) Wirklichkeit geworden: Einsatz der Bundeswehr auch im Inland – mit hoheitlichen Befugnissen an der Seite der Polizei. Bei „terroristischen Großlagen“ sei ein solcher Einsatz der Bundeswehr, wohlgemerkt „unter Federführung der Polizei“, erlaubt, sagte die Verteidigungsministerin, als sie Mitte Juli das neue Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr vorstellte.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2012 in einem neuerlichen Urteil zum möglichen Abschuss entführter Passagiermaschinen durch Kampfjets der Luftwaffe festgestellt, dass das Grundgesetz einen Bundeswehr-Einsatz im Inneren nicht generell verbiete. Allerdings müsste dafür ein absoluter Krisenfall ausgerufen sein, wenn ein „besonders schwerer Unglücksfall“ mit „katastrophalen Schäden“ verhindert werden müsse. Der Abschuss eines von Terroristen gekaperten Flugzeuges ist aber bis heute nicht erlaubt. Die Richter betonten die sehr engen Grenzen eines Militäreinsatzes im Inneren, denn in Deutschland sind die Bereiche für Polizei und Militär strikt getrennt. Von der Leyen sieht in ihrem neuen Weißbuch einen solchen besonders schweren Unglücksfall auch bei „terroristischen Großlagen“.

Die Ministerin jedenfalls ließ am Freitagabend rund 100 in München stationierte Feldjäger und Sanitäter in erhöhte Bereitschaft versetzen. Generalinspekteur Volker Wieker hatte sich dafür zuvor „Prokura“ von der Ministerin geholt, wie ein Ministeriumssprecher am Montag sagte. Eine konkrete Anfrage der Polizei oder des Freistaates Bayern nach Unterstützung durch die Bundeswehr habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Doch das Verteidigungsministerium wollte demnach in einer über Stunden völlig unklaren Lage „einsatzbereite Kräfte zur Verfügung“ haben, um für eine eventuelle Anfrage der Polizei nach Unterstützung aufgestellt zu sein. „In so einer Lage ist es wichtig, dass man schnell handelt“, so ein Sprecher. Denkbar wären dann der Einsatz von Spürhunden, das Entschärfen von Bomben oder auch das Sichern von Checkpoints durch die Bundeswehr gewesen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte zur erhöhten Bereitschaft von Feldjägern: „In sehr unübersichtlichen und schwierigen Lagen stellt man sich als Sicherheitsbehörde auf den denkbar schlechtesten Fall ein und nicht auf den denkbar leichtesten Fall.“ Ein solcher Einsatz der Bundeswehr ist laut de Maizière in einer besonders schwierigen Terrorlage bereits nach geltendem Recht, also ohne Änderung des Grundgesetzes, zulässig. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, man dürfe über einen Bundeswehr-Einsatz nicht erst nachdenken, „wenn der nächste Anschlag stattgefunden“ habe.

Derweil kommen aus der SPD kritische Stimmen gegen einen solchen Marschbefehl. Der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, sagte dem General-Anzeiger: „Ich möchte keinen Schützenpanzer irgendwann an der Kreuzung stehen sehen.“ Kahrs betonte, er sei selbst Oberst der Reserve und wisse, dass die Bundeswehr für einen Einsatz im Inneren nicht ausgebildet sei. „Im Ergebnis ist es doch so, dass man einen billigen Jakob sucht. Die Bundeswehr soll das ausbügeln, was die Innenminister nicht hingekriegt haben, weil sie nicht mehr Personal eingestellt haben“, sagte Kahrs.

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