Kommentar zum Hambacher Forst Tiefe Wunden

Meinung | Düren · Der vom Oberverwaltungsgericht verfügte Rodungsstopp im Hambacher Forst ist eine Niederlage für RWE, aber auch für die Landesregierung. Denn Ministerpräsident Armin Laschet hätte viel früher in dem Konflikt als Vermittler auftreten müssen, meint GA-Redakteur Bernd Eyermann.

 Ökonomie und Ökologie: Der Tagebau Hambach hat in den vergangenen Jahren den Hambacher Forst fast komplett „verschluckt“.

Ökonomie und Ökologie: Der Tagebau Hambach hat in den vergangenen Jahren den Hambacher Forst fast komplett „verschluckt“.

Foto: dpa

Wenn nun die Reste des einst mächtigen Hambacher Forstes – vorerst jedenfalls – stehen bleiben dürfen, wird das den Klimawandel nicht aufhalten. 100 Hektar mehr oder weniger abzuholzen, macht kaum einen Unterschied. Auch das Verfeuern der Braunkohle, die unter dem Wald liegt, wird die weltweite Treibhausgasproduktion nur marginal verstärken. Die Bedeutung des Waldes ist, was die Klimapolitik angeht, eher symbolischer Natur. Doch der Hambacher Forst steht für etwas anderes: nämlich für eine inzwischen völlig verfehlte Energiepolitik des Augen-zu-und-durch-Prinzips.

Jahrzehntelang – auch schon unter rot-grünen Landesregierungen – galt das Prinzip: Was RWE oder die früheren Betreiber der Braunkohlentagebaue wollen, das wird gemacht. Es sichert Arbeitsplätze und Wohlstand im Land. Doch nun tritt das NRW-Oberverwaltungsgericht (OVG) auf den Plan und fordert von dem Energiekonzern Erklärungen, warum der Hambacher Forst – im Zeitalter der Erneuerbaren – für die Versorgungssicherheit in Deutschland noch so wichtig ist. Dass die Argumentation von RWE dem Gericht keine schlüssigen Antworten lieferte, zeigt: Der Konzern hat noch nicht verstanden, dass sich die Zeiten geändert haben.

Die Düsseldorfer Landesregierung muss sich nun vorwerfen lassen, dass sie RWE einfach hat machen lassen und nicht früher auf das Prinzip der Deeskalation gesetzt hat. Rein rechtlich betrachtet war der Energiekonzern natürlich befugt, den Wald für die Abholzung vorzubereiten. Aber schon vor Monaten war auch klar, dass das OVG im Oktober über die Rodung entscheiden würde.

Laschet trat nicht als Moderator auf

Immer wieder war Ministerpräsident Armin Laschet aufgefordert worden, als Moderator oder Vermittler zu Gesprächen mit Naturschützern und RWE einzuladen, um den Konzern zu einem Moratorium zu bringen – wenigstens bis zur Gerichtsentscheidung. Hätte er es besser mal getan. Stattdessen verwiesen er und Innenminister Herbert Reul immer wieder auf die rechtliche Lage, schickten Tausende Polizisten in den Wald, um RWE dabei zu unterstützen, Baumhäuser abzureißen, und schlugen bei vielen friedlichen Waldschützern tiefe Wunden. Damit darf Gewalt gegen Beamte aber nicht relativiert werden. Es war richtig, dass die Polizei gegen jene energisch durchgegriffen hat, die nicht auf friedlichen Protest gesetzt haben.

Natürlich hat der Ministerpräsident recht, wenn er nun alle Akteure zu Gesprächen auffordert und darum wirbt, einen Weg zu suchen, auf dem die unterschiedlichen Interessen miteinander versöhnt werden können. Doch irgendwie nimmt man Laschet den plötzlichen Rollenwechsel vom Law-and-order-Mann zum Versöhner nicht so recht ab. Vielleicht wäre es ja ganz gut, wenn in der derzeit so aufgeheizten Situation nicht unbedingt Laschet, sondern andere Personen Vermittlungsrollen übernähmen.

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