Wahl des Fraktionsvorsitzenden Stellenkarussel bei NRW-SPD dreht sich

Düsseldorf/Bonn · Marc Herter oder Thomas Kutschaty? Die Abstimmung um den Vorsitz der NRW-SPD ist keinesfalls im Vorhinein entschieden. Eine große Rolle wird der Regionalproporz spielen.

Gebeutelt von der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl vor einem Jahr will die nordrhein-westfälische SPD nun alles richtig machen. Vor allem beim Neuanfang an der Spitze der Partei und Fraktion. Ganz demokratisch und transparent sollte es zugehen. Deshalb hatte Übergangsparteichef Michael Groschek die Suche nach dem neuen Parteichef in die Hände einer Findungskommission gelegt. Doch bevor diese zum ersten Mal tagte, war Groscheks Vorschlag – der NRW-weit bisher eher wenig bekannte Rhein-Sieg-Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann – schon publik geworden. Im Juni soll der 40-Jährige von einem Landesparteitag gewählt werden.

Ebenfalls nicht glatt läuft die Kandidatenkür in der einflussreichen SPD-Fraktion. Obwohl seit Wochen unter der Hand klar war, dass es eine Kampfkandidatur gebe würde, hoben die beiden seit langem bekannten Kandidaten erst an diesem Dienstag die Hand – eine Woche vor der Wahl. Der Parlamentarische Geschäftsführer Marc Herter (43) und Ex-Justizminister Thomas Kutschaty (49) treten gegeneinander an.

Der ebenfalls für den Fraktionsvorsitz hochgehandelte Kölner Martin Börschel (45) hat sich derweil selbst aus dem Rennen genommen. Er werde sich „künftig auf Aufgaben in Köln konzentrieren“, teilte ein Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion unserer Zeitung mit. Näheres wollte er noch nicht verraten. Nur so viel: Bei der Neuwahl des Fraktionsvorstandes im Landtag werde er nicht mehr als stellvertretender Vorsitzender kandidieren.

Fraktionschef wird am Dienstag gewählt

Bei Herter und Kutschaty blieb es zunächst beim Handzeichen. „Kurz und bündig“ sei das abgelaufen, hieß es. Denn ihre Bewerbungsreden sollen sie erst am kommenden Dienstag halten – dann wird der Nachfolger für Fraktionschef Norbert Römer (71) gewählt. Offiziell nennt Römer als Grund für diesen Prozess, dass am Dienstag zu viele Fraktionsmitglieder auswärtige Termine hatten und fehlten. Es sollten schließlich alle die Möglichkeit bekommen, die Bewerbungsreden zu hören.

Da auch der Regionalproporz bei der NRW-SPD als größtem Landesverband bedeutend ist, sollten kommende Woche wohl auch besser alle 69 Fraktionsmitglieder da sein. Denn es könnte knapp werden. Obwohl Herter dem Regionalverband Westliches Westfalen angehört, der derzeit von allen vier SPD-Regionen mit 30 Abgeordneten die meisten Fraktionsmitglieder stellt, gilt es als nicht ausgemacht, wer die Wahl gewinnt.

Herter ist Favorit des Strippenziehers Römer. Aber auch Kutschaty, der Essener SPD-Vorsitzender ist und von 2010 bis 2017 NRW-Justizminister unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war, werden Chancen eingeräumt. „Fifty-fifty“ heißt es aus der Fraktion zu den Chancen beider Bewerber. Auf die Frage, ob er Herter und Kutschaty beide für geeignete Fraktionschefs halte, antwortete Römer zumindest: „Selbstverständlich.“

Herter-Niederlage könnte SPD durchwirbeln

Sollte der eloquente, aber nicht sehr bekannte Landtagsabgeordnete Herter den Kampf um den Fraktionsvorsitz verlieren, könnte die austarierte Regionalverteilung der NRW-SPD ins Wanken kommen. Denn mit dem ebenso wenig bekannten Bundestagspolitiker Hartmann soll ausgerechnet ein Vertreter der kleinsten Region Mittelrhein Landesparteivorsitzender werden. Damit das westliche Westfalen gebührend berücksichtigt wird, müsste es dann eigentlich den Fraktionsvorsitz bekommen und nicht die Niederrheiner, zu denen Kutschaty zählt.

Rund ein Jahr nach der Niederlage und dem Rücktritt Krafts als SPD-Landesvorsitzende nimmt die NRW-SPD jetzt zwar konsequent Kurs auf Verjüngung. Doch wer von den jüngeren Politikern bis zur nächsten Landtagswahl 2022 das Profil entwickelt, Spitzenkandidat und Herausforderer von CDU-Regierungschef Armin Laschet zu werden, darauf schließt noch keiner Wetten ab. Hartmann äußerte sich zu seinen weiteren Ambitionen bisher nur nebulös. Auch zum bevorstehenden Duell um den Fraktionsvorsitz wollte er am Montag nichts sagen. „Die Fraktion hat getagt. Alles Weitere wird man sehen“, teilte Hartmann dem GA mit.

Wer Spitzenkandidat wird, „das zeigt sich auf der Strecke“, heißt es in der Fraktion. Die SPD müsse zunächst einmal wieder ihre neue Richtung finden. Alle wollten Veränderung, aber keiner wisse genau, was und wie verändert werden soll. Die NRW-SPD sei noch „schwer desorientiert“.

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