Österreichischer Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Antrittsbesuch in Berlin

BERLIN · Mit seinen 31 Jahren ist Sebastian Kurz der weltweit jüngste Regierungschef. Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin traf er auf die 32 Jahre ältere Angela Merkel. Eine Zusammenfassung.

Jung ja, forsch nein. Sebastian Kurz möchte bei der Auflistung mehrerer Attribute zu seiner Person nur zur Hälfte zustimmen. Nein, nein, forsch treffe auf ihn nicht zu. Und bitte, das mit dem jungen Alter werde auch „von Tag zu Tag besser“, sagt der Mann, der seit Dezember Bundeskanzler der Republik Österreich ist – und mit seinen 31 Jahren zugleich der weltweit jüngste Regierungschef. Eine unglaubliche Karriere. Mit 27 Jahren war Kurz bereits Außenminister. Jetzt steht er bei seinem Antrittsbesuch in Berlin neben jener Angela Merkel, die immer noch als politisch mächtigste Frau der Welt gilt, allerdings mit einem aktuell nicht ganz unerheblichen Problem.

Seit Monaten sucht Merkel nach einer neuen Koalition, die eine nächste von ihr geführte Bundesregierung tragen könnte. Am Sonntag ist in der Sache Sonderparteitag der SPD in Bonn. Merkel betont, dies sei Angelegenheit der Sozialdemokraten. Kurz hört aufmerksam zu. Man habe SPD-Chef Martin Schulz ja schon viel Erfolg gewünscht. Allerdings müsse die SPD auch etwas wissen. Erstens: Die Unionsparteien hätten schon „herbe Konzessionen“ gemacht. Zweitens: „Die Eckpunkte des Sondierungspapiers können nicht neu verhandelt werden.“

Weiter nach Österreich, wo Kurz als Vertreter der Österreichischen Volkspartei bereit war, mit den Rechtspopulisten der FPÖ eine Koalition einzugehen. Kurz weist flugs die These einer Journalistin zurück, er habe sich nach der Wahl in Österreich einer großen Koalition, jener Vorgängerregierung von SPÖ und ÖVP, schlicht „entledigt“. Merkel schmunzelt. Ihr gefällt die Frage. Kurz sagt: „Wir haben in Österreich eine sehr starke Demokratie.“

Eine Regierung für Europa

Die Bürger seines Landes hätten in freien Wahlen sehr klar entschieden. Und jetzt werde er mit der Freiheitlichen Partei Österreichs, deren Parteichef Heinz-Christian Strache Vizekanzler im Kabinett Kurz ist, eine Regierung führen, die für Europa sei, aber eben auch auf Sicherheit setze. Was das heißt? „An einem ordentlichen und starken Schutz der Außengrenze führt kein Weg vorbei.“ Merkel stellt trocken fest: „Wir werden die neue österreichische Regierung an ihren Taten messen.“ Bei Merkel heißt das übersetzt: Dann zeigt mal schön, wie sehr Euch Europa wirklich am Herzen liegt! Kurz hat verstanden.

Und damit zurück nach Deutschland. Kurz betont die Bedeutung der bilateralen Beziehungen beider Länder. Deutschland sei „mit Abstand“ wichtigster Handelspartner Österreichs. 13 Millionen deutsche Gäste allein im vergangenen Jahr hätten der Alpenrepublik Milliarden Euro gebracht. Und natürlich habe die Bundesregierung in Wien „als Nachbar Interesse an einer stabilen Regierung in Deutschland“. Keine Frage.

Ob in Österreich ein neuer Politikertypus an die Macht gekommen sei, der möglicherweise bald auch in Deutschland nach oben strebe? Merkel setzt in einer Phase, in der die Spahns, Linnemanns und Lindners dieser Republik einer Bundeskanzlerin in ihrem inzwischen verflixten 13. Regierungsjahr das Leben schwer machen, lieber weiter auf das Mannschaftsspiel. „Der Bundeskanzler Österreichs ist jung, das ist nicht zu bestreiten.“

Keine Amtszeitbegrenzung für Kurz

Aber die Abteilung „Jugend forscht“ ist in diesem Fall nicht so ganz Merkels Sache. Sie baue lieber „auf eine gute Mischung“ in Deutschland. Ob Alt oder Jung, ob Frau oder Mann. Sie wolle möglichst viele Strömungen dabei haben. Denn: „Die ganze Weisheit liegt darin, wenn wir die Gruppen in einer Gesellschaft möglichst gut abbilden, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, daraus eine gute Politik zu machen, am allerbesten.“ Merkel: „Mir sind Jüngere genauso lieb wie Ältere.“

Das Älterwerden lasse sich nun einmal nicht aufhalten. „Irgendwann bemerkt man an sich selbst, dass man rüberrutscht mit jedem Tag ein bisschen mehr in Richtung des Älteren. Das gehört einfach zum Leben dazu“, sagt die 63 Jahre alte Bundeskanzlerin, die um ihre nächste, vermutlich letzte Regierung kämpft.

Kurz, 32 Jahre jünger als Merkel, steht ganz am Anfang seiner Zeit als Regierungschef. Wie für Merkel in Deutschland schreibt auch die Verfassung in Österreich keine Amtszeitbegrenzung des Bundeskanzlers vor. Kurz hätte noch eine lange Strecke zu gehen, wenn die Wähler ihn und seine Politik wollen. Kurz sagt es so: „Ich verfolge die Linie, die ich für richtig erachte, unabhängig von der Linie in anderen Ländern.“ Merkel soll wissen: 32 Jahre jünger, aber eben nicht devot. Eigene Linie.

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