Kommentar zu Björn Höcke Höcke nutzt die Empörung und bleibt gefährlich

Meinung | Düsseldorf · Weil Thüringens starker AfD-Mann Björn Höcke ein ZDF-Interview abbrach und "drohte", ist von einem Skandal die Rede. Damit hat er wieder die gewünschte Aufmerksamkeit, kommentiert Gregor Mayntz.

 Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen, spricht zum Wahlkampfauftakt in Sachsen.

Björn Höcke, Vorsitzender der AfD in Thüringen, spricht zum Wahlkampfauftakt in Sachsen.

Foto: Sebastian Kahnert

Der Abbruch des ZDF-Interviews mit Thüringens starken AfD-Mann Björn Höcke hat uns eine neue aufgeregte Debatte beschert. Und wieder funktioniert sie nach den verlässlichen Mechanismen, nach denen jenseits aller Empörungswelle am Ende die AfD ihre Sympathisanten mobilisiert bekommt. Sechs Wochen vor den Landtagswahlen in Thüringen kann sich Höcke freuen.

Denn der Vorwurf, Höcke habe der freien Presse „gedroht“, steht auf dünnem Eis. Hätte Höcke, wie es manche AfD-Politiker zuweilen tun, davon gesprochen, dass „die Zeit kommen“ werde, zu der alle Fernsehjournalisten „zur Verantwortung gezogen werden“, und den Interviewenden direkt mit persönlichen Konsequenzen bedroht – dann hätten wir es tatsächlich mit einem Skandal ersten Ranges zu tun gehabt. Da hätte einer suggeriert, den Rechtsstaat abschaffen, die Medien mundtot machen und eine Willkürherrschaft einführen zu wollen. Nichts davon hat Höcke getan. Er hat lediglich in den Raum gestellt, eine „interessante“ Person werden zu können und dann dem Journalisten kein Interview mehr geben zu wollen.

Dass Politiker sich selbst aussuchen, von wem sie befragt werden wollen, ist natürlich ebenfalls nicht akzeptabel. Denn worauf das hinausläuft, macht Höcke gleich deutlich, wenn er meint: "Wir hätten doch eigentlich mit schönen Sachfragen zur Landespolitik einsteigen können." Das ist genau das, was AfD-Anhänger gerne pauschal den Medien vorwerfen: Anderen Parteien immer nur "schöne Fragen" zu stellen. Insofern haben wir es hier mit einer bezeichnenden Selbstentlarvung Höckes zu tun.

Davon gibt es in dem Interview eine ganze Reihe weiterer. Dass er das typische NS-Wort „entartet“ für einen ganz harmlosen Begriff hält, der in der Biologie vorkomme, beleuchtet seine Strategie. Über eine Einengung des Sprachkorridors klagend, versucht er in Wirklichkeit, die Sagbarkeit von NS-Terminologie auszuweiten. Das macht klar, wie gefährlich Höcke ist und wie richtig der Verfassungsschutz mit der Entscheidung lag, Höckes völkisch-nationalistischen Flügel als Verdachtsfall unter Beobachtung zu nehmen.

Verräterisch ist zudem seine Wortwahl, als ihm ein vor Jahren AfD-intern erstelltes Gutachten über seine Nähe zu rassistischem Gedankengut vorgehalten wird. Diese Parteifreunde seien „Feindzeugen“, sagt Höcke gleich zwei Mal. Er denkt also nicht in Kategorien von Freunden und Gegnern, sondern von „Feinden“. Hinzu kommt die Recherche unter AfD-Bundestagsabgeordneten mit dem erhellenden Befund, dass diese sich nicht festlegen wollen, ob ein Zitat von Höcke oder Hitler ist. Das alles bildet mehr als genug Stoff für eine Aufklärung der Gefahren, die von Höcke und seinem Flügel ausgehen.

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