Finanzen SPD kämpft für Erneuerung mit klammen Kassen

Berlin · Die Sozialdemokraten müssen für ihre Erneuerung kräftig investieren, haben aber immer weniger Geld.

 Verwaltet die klammen Kassen der SPD: Schatzmeister Dietmar Nietan in der Parteizentrale in Berlin. Im Hintergrund die Plastik von Willy Brandt, dem früheren Parteivorsitzenden und Altkanzler, die im Atrium steht.

Verwaltet die klammen Kassen der SPD: Schatzmeister Dietmar Nietan in der Parteizentrale in Berlin. Im Hintergrund die Plastik von Willy Brandt, dem früheren Parteivorsitzenden und Altkanzler, die im Atrium steht.

Foto: picture alliance

Dietmar Nietan ist ein eher ruhiger und besonnener Zeitgenosse. Der gebürtige Dürener verwaltet seit 2014 die Kasse der deutschen Sozialdemokratie. Aber so angespannt wie derzeit war die finanzielle Lage der SPD lange nicht mehr. Auf das desolate Ergebnis der Bundestagswahl folgte ein zermürbender und teurer Prozess der Kehrtwende hin zur ungeliebten großen Koalition. „Die Kosten für die beiden Sonderparteitage in Bonn und Wiesbaden sowie das Mitgliedervotum beliefen sich auf knapp vier Millionen Euro“, sagt Nietan im Gespräch mit unserer Redaktion. Allein die Befragung der mehr als 460.000 stimmberechtigten Mitglieder habe mit gut einer Million Euro zu Buche geschlagen.

Das Ergebnis: Die ohnehin strauchelnde Partei ist zwar nicht pleite, kämpft aber mit einem merklich schrumpfenden Budget. Denn obwohl das Mitgliedervotum einkalkuliert war für eine etwaige Regierungsbeteiligung nach der Wahl, kamen mit den Sonderparteitagen nicht unerhebliche Kosten hinzu. Und das Wahlergebnis hat ebenfalls spürbare Folgen. Seit dem Wahlsieg von Gerhard Schröder im Jahr 1998 mit 40,9 Prozent der Zweitstimmen ist der Anteil der SPD bei der Bundestagswahl um die Hälfte geschrumpft. Gerade einmal 20,5 Prozent bekamen die Sozialdemokraten mit Kandidat Martin Schulz an der Spitze im vergangenen Jahr.

„Weil wir bei den Zweitstimmen deutliche Einbußen hatten, gibt es deutlich weniger Zuwendungen aus der Parteienfinanzierung“, sagt Nietan. Das seien 1,6 Millionen Euro aus staatlichen Mitteln pro Jahr, aufgeteilt auf Bundespartei und die Landesverbände. „Hinzu kommt, dass sich auch die geringere Anzahl an Bundestagsabgeordneten in der Bilanz widerspiegelt.“ Die Mandatsträger zahlen pro Monat eine freiwillige Sonderabgabe an die Partei – kein unerheblicher Faktor auf der Habenseite für den Schatzmeister. Immerhin kann Nietan auf stabile Einnahmen aus den Mitgliederbeiträgen setzen. Daran hat auch der Nettozuwachs bei den Mitgliedszahlen einen Anteil.

SPD hat viel vor in den kommenden Jahren

Doch die SPD hat viel vor in den kommenden Jahren. Der Ruf nach Veränderungen ist groß, die Partei will sich anders aufstellen, moderner werden, neue Antworten finden und all das möglichst basisdemokratisch. Es soll in der Regierung kein „Weiter-so“ geben, im Führungsstil der Parteiführung gegenüber der Basis aber auch nicht. Die Genossen wollen eingebunden und gefragt werden, sich wiederfinden im bis zur Erschöpfung beschworenen Erneuerungsprozess. Und Andrea Nahles ist in der Pflicht zu liefern. Sollte die erste Vorsitzende in der Geschichte der SPD beim großen Programmparteitag Ende 2019 keine gute Zwischenbilanz vorweisen können, stünden die Sozialdemokraten vor einer Zerreißprobe. Zu groß ist mittlerweile der Unmut gegenüber der Parteiführung, gestärkt durch Postengeschacher und nicht eingehaltene Zusagen – etwa zur großen Koalition.

Der Druck in Richtung Wandel ist daher enorm. Und dieses Mal muss wirklich etwas geschehen. Es darf nicht nur bei Worten bleiben wie in den Jahren zuvor. Neben Nahles und Nietan sind auch Generalsekretär Lars Klingbeil und Bundesgeschäftsführer Thorben Albrecht gefragt, echte Veränderungen einzuleiten. Von den Regierungsmitgliedern um Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz erwarten das bei realistischer Betrachtung nur wenige.

Umso mehr steht die Parteizentrale im Fokus. „Wir brauchen eine Neuaufstellung des Willy-Brandt-Hauses mit neuen Arbeitsstrukturen, die den Anforderungen an politische Kampagnen im 21. Jahrhundert gerecht werden“, sagt Nietan. Dabei werde es Bereiche geben, in denen man mehr personelle Ressourcen brauche. „In anderen Bereichen müssen wir den Einsatz von Personal und Finanzmitteln von Bundespartei und Landesverbänden besser aufeinander abstimmen“, sagt der 54-Jährige. Die Beratungsfirma Ramboll soll nun dabei helfen, die Krusten in der SPD-Zentrale aufzubrechen.

Schatzmeister erbittet etwas Geduld

Doch auch das kostet. „Zu der angespannten Kassenlage kommen unsere Pläne einer strukturellen Veränderung“, sagt Nietan. „Wenn wir moderner werden wollen, etwa mit datenbasierten Wahlkämpfen, kommen nicht unerhebliche Investitionen auf uns zu.“ Es brauche die Hardware dafür, es brauche Schulungen der Haupt- und Ehrenamtlichen und viele weitere Schritte.

Nietan hofft, dass die Investitionen sich lohnen und bald wieder in Wahlkampferfolgen niederschlagen, weil das zu steigenden Einnahmen führen würde.

Doch bis dahin ist es ein steiniger Weg. Nietan spricht vom konsequenten Durchhalten strategisch kluger, langer Linien und hat, auch mit Blick auf die schlechten Umfragen, einen Wunsch: „Ich erbitte von unseren Mitgliedern, Wählerinnen und Wählern und allen anderen Bürgern etwas Geduld“, so der Schatzmeister. „Geben Sie uns die Zeit für die notwendige Neuaufstellung der Partei.“ Die SPD werde zu alter Stärke zurückfinden, da sei er sich sicher.

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