Berlin-Wahl SPD gibt Union Schuld an Einbußen - Linke frohlockt

Berlin · Die Volksparteien sind in der Hauptstadt nach dem Wahldesaster nur noch Scheinriesen. Welchen Anteil haben Angela Merkel und Sigmar Gabriel daran? Die CSU sieht eine tektonische Verschiebung.

 Der Regierende Bürgermeister von Berlin und Spitzenkandidat Michael Müller (SPD) wirkt zufrieden nach ersten Ergebnissen zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin und Spitzenkandidat Michael Müller (SPD) wirkt zufrieden nach ersten Ergebnissen zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin.

Foto: Rainer Jensen

Nach den massiven Verlusten für SPD und CDU bei der Berlin-Wahl suchen die Parteispitzen nach Schuldigen für das Desaster der Volksparteien - die in ihrem Status immer mehr bedroht sind.

Die SPD warf der Union vor, für das historisch schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten mitverantwortlich zu sein. Wenn CDU und CSU permanent über die Flüchtlingspolitik stritten, sende auch die schwarz-rote Bundesregierung das Signal, "dass sie nicht weiß, wo es lang geht", sagte Fraktionschef Thomas Oppermann am Montag im Deutschlandfunk. Leider werde auch die SPD durch diese Dauerdebatte zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer heruntergezogen. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley beklagte, ihre Partei dringe wegen der breiten Diskussion über die Flüchtlingspolitik mit Sozialthemen nicht mehr durch.

CDU-Spitzenpolitiker sehen in erster Linie landespolitische Gründe für die Schlappe bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. "Wahlen in den Stadtstaaten sind oft, sind meistens etwas Spezielles. Das kommt auch beim gestrigen Ergebnis voll zum Tragen", sagte CDU-Vize Thomas Strobl der dpa. Ähnlich äußerte sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): "Es gab eine hohe Unzufriedenheit mit dieser Landesregierung." Die CDU werde die Lage analysieren und Schlüsse daraus ziehen. Diese Schlüsse aus Berlin seien aber "nur begrenzt anwendbar" auf die Bundespolitik.

In der CSU gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob die Berlin-Wahl ein Zeichen des Protestes gegen die Bundespolitik war. "Wir haben eine tektonische Verschiebung der Parteienlandschaft", sagte Generalsekretär Andreas Scheuer dem Bayerischen Rundfunk. Union und SPD müssten dringend das Vertrauen der Bürger mit konkreten Entscheidungen zurückgewinnen. "Die Bürger haben zum wiederholten Male einen Weckruf, ein Alarmsignal ausgesendet."

Dagegen sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer, das Berliner Ergebnis sei kein Votum gegen Merkel. "Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hat nur eine Nebenrolle gespielt", sagte der CSU-Politiker der "Huffington Post". Aber: "Die CDU hat das zweite Mal in kurzer Zeit eine historische Niederlage erlitten. Es geht in den nächsten Wochen darum, den offenen Dissens zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik zu lösen."

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte im WDR, die Union auf Bundesebene habe die Niederlage in Berlin ein stückweit mitverschuldet. Der Streit zwischen CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik habe Mitglieder, Anhänger und Wahlkämpfer genervt. "Deswegen ist es erstmal ganz gut, dass wir schauen, wie wir Gemeinsamkeiten stärker in den Vordergrund stellen - die haben wir nämlich, das glaubt nur zur Zeit kaum einer mehr."

In Berlin ist die große Koalition am Ende. Stattdessen zeichnet sich ein rot-rot-grünes Bündnis ab - das bundesweit erste unter Führung der SPD. Dies treibt ein Jahr vor der Bundestagswahl alle Parteien um, könnte doch von einem linken Bündnis in der Hauptstadt ein Signal für einen Regierungswechsel auch im Bund ausgehen.

Nach dem vorläufigen Ergebnis erreichte die SPD 21,6 Prozent (2011: 28,3). Die Union kam mit 17,6 Prozent auf Platz zwei (2011: 23,3). Die Linkspartei landete mit 15,6 Prozent auf Platz drei (2011: 11,7) und überflügelte knapp die Grünen, die 15,2 Prozent verbuchten (2011: 17,6). Die AfD kam auf 14,2 Prozent und sitzt nun in 10 von 16 Landesparlamenten. Die FDP kehrt mit 6,7 Prozent ins Parlament zurück (2011: 1,8).

SPD-Spitzenkandidat Michael Müller blickt verhalten auf eine mögliche Dreierkoalition. "Das wird überhaupt nicht leichter, ganz im Gegenteil", sagte der Regierende Bürgermeister im rbb-Inforadio.

Oppermann hält eine rot-rote-grüne Koalition auf Bundesebene prinzipiell für möglich. Dafür müsse es aber inhaltliche Übereinstimmungen geben, die er momentan noch nicht sehe. Dies könne sich bis zur Bundestagswahl im September 2017 aber noch entwickeln.

Linken-Chef Bernd Riexinger sieht im Erfolg seiner Partei ein Signal für den Bund. Die Wahl zeige, dass die Abwahl einer großen Koalition und eine Mehrheit links von der Mitte möglich sei, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Ziele für den Bund seien die Ablösung von Merkel und eine grundlegende andere Politik.

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