Ärger über "gekaufte" Gespräche mit SPD-Politikern SPD-Abgeordneter Kelber: "Ich fühle mich getäuscht"

Bonn/Mainz · Die SPD-Agentur Network Media GmbH (NWMD), die nach ZDF-Recherchen Lobbyisten für Geld Zugang zu Landes- und Bundespolitikern arrangiert hat, wollte auch mit dem Bonner Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber Kasse machen. Dieser fühlt sich getäuscht.

Der Verbraucherschutz-Staatssekretär will sich nun anwaltlich beraten lassen: „Es muss harte Konsequenzen haben, wenn smart-arrogante Marketingleute versuchen, Politiker zu verkaufen.“

In exklusiven, kleinen Zirkeln hatte NWMD unter anderem SPD-Justizminister Heiko Maas, Arbeitsministerin Andrea Nahles, NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin und NRW-Bau- und Verkehrsminister Michael Groschek mit zahlungskräftigen „Sponsoren“ zusammengebracht. Auch Kelber hätte am 24. Januar 2017 über sein Arbeitsgebiet „Datenschutz in der digitalen Welt“ vor einem ausgewählten Kreis sprechen sollen. Er sagte der Chefredakteurin der SPD-Mitgliederzeitung „Vorwärts“ zu – und hatte keine Bedenken, als es hieß, dass ein „Unterstützer“ die Kosten für Saal und Essen übernehmen würde. „Das ist bei großen Veranstaltungen, Sommerfesten oder Jahresversammlungen üblich“, so Kelber.

Was er nach den Recherchen des ZDF-Magazins „Frontal21“ und eigenen Nachforschungen jetzt weiß: „Die Veranstaltung mit mir war explizit auf Wunsch eines zahlungswilligen Pharmatech-Lobbyisten ausgerichtet worden, dem man sogar Einfluss auf die Gästeliste und Einblick in das Vortragsskript gewährt hätte.“ 7000 Euro hätte die SPD-Tochter NWMD ohne Kelbers Wissen für den Zugang zu ihm kassiert.

Auch die anderen SPD-Politiker geben an, nichts von den Sponsoring-Abmachungen gewusst zu haben. Die Agentur bewirbt ihr ungewöhnliches Eventmarketing mit folgenden Worten: „Gute Veranstaltungen kosten Geld. Wir finden Sponsoren, die zu den Gastgebern passen. Und überlegen, wie sie sich am besten präsentieren können.“ Die NWMD hat inzwischen bestätigt, Gespräche mit Politikern gesponsort zu haben, jedoch seien dem „Vorwärts“-Verlag, bei dem sie angesiedelt ist, dabei keinerlei Gewinne entstanden.

„'Keine Gewinne' heißt aber doch nur, dass der Verlag ohne diese Einnahmen Verluste gemacht hätte“, bilanziert Kelber wütend. Auch würden Miete und Essen für einen kleinen Gesprächskreis nicht 7000 Euro kosten, was weitere Fragen in der Angelegenheit aufwirft. „Ich fühle mich durch die NWMD getäuscht und vorgeführt“, sagt er, „ich habe immer noch einen Puls von 180.“

In Berlin zieht der handfeste Skandal um Sponsoring-Gespräche bei der SPD weitere Kreise. „Völlig unabhängig von der Frage, ob das rechtlich relevant ist oder nicht, es ist jedenfalls selten dämlich“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Als „überhaupt nicht klug“ bewerte Eva Högl, Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, die Praxis. Mittwochmittag schließlich fiel die klare Entscheidung: „Vorwärts-Gespräche – ob mit oder ohne Sponsoring – wird es in Zukunft nicht mehr geben“, teilte SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan mit. Er kündigte eine „interne Untersuchung des Sachverhalts“ an.

Anders als Parteispenden ist Sponsoring noch immer eine höchst intransparente Finanzmittelbeschaffung. „Dieser Missstand ist seit Jahren bekannt“, kritisiert „LobbyControl“. Trotzdem blockierten Union und SPD klare Regeln in diesem Bereich. Die Organisation rechnet, dass die Parteien 2014 insgesamt über 30 Millionen Euro an direkten Sponsorzahlungen eingenommen und als namenlose Gesamtsumme in den Posten „Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit“ verbucht haben.

Die Bonner CDU-Abgeordnete Claudia Lücking-Michel ging hart mit Kelber ins Gericht: „Zu sagen, man habe von all dem nichts gewusst, reicht nicht. Gerade von Politikern, die mit ihren jahrelangen Erfahrungen und größtmöglicher Transparenz kokettieren, muss man kritische Fragen bei der Planung solcher Treffen erwarten.“ Ulrich Kelber macht seine gesamten Einkünfte und seit acht Jahren auch alle Treffen mit Lobbyisten auf seiner Webseite öffentlich.

Die NRW-CDU stand 2010 selbst für ungewöhnliche Finanzierungsmodelle in der Kritik, weil sie für 20 000 Euro ein „Partnerpaket“ anbot, das neben einem Stand auf dem Landesparteitag auch „Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen“, damals Jürgen Rüttgers, versprach. Für 14.000 Euro bot die Partei eine kleinere Ausstellungsfläche ohne vertrauliche Gespräche und nur mit „Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten.“

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