Unfallzahlen in NRW gestiegen Polizei fordert Helmpflicht für Radfahrer

Düsseldorf · Die Zahl der verunglückten Radfahrer in NRW hat offenbar wieder zugenommen. Vor allem gibt es mehr Unfälle mit Pedelecs. Die Gewerkschaft der Polizei fordert angesichts dieser Entwicklung eine allgemeine Helmpflicht.

Rüdiger Wollgramm fährt immer mit seinem Mountainbike zur Arbeit – und mit Helm. Ohne wäre viel zu leichtsinnig sagt er. „Man stürzt schnell mal und kann dann mit dem Kopf aufkommen“, sagt Wollgramm, der das Verkehrsreferat im Innenministerium leitet. „Die 80 bis 90 Euro sollte jeder für einen Schutzhelm ausgeben.“

In der kommenden Woche will das NRW-Innenministerium die Zahl der Radfahrer bekanntgeben, die im vergangenen Jahr im Straßenverkehr verunglückt sind. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Unfallzahlen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sein dürften. „ Unsere Prognosen gehen davon aus“, sagt Wollgramm. Demnach verunglückten in den ersten drei Quartalen 2018 bereits 13.102 Fahrradfahrer, 50 kamen dabei ums Leben. 2017 verunglückten im gesamten Jahr rund 15.000 Fahrradfahrer in NRW – und es gab ebenfalls 50 Todesopfer. Hinzu kommt eine enorm hohe Dunkelziffer. Und insgesamt fließt offenbar nur ein Bruchteil der Fahrradunfälle in die Statistik ein. „Das Dunkelfeld liegt bei 89 Prozent“, sagt Wollgramm.

Angesichts dieser Entwicklung fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Einführung einer Helmpflicht für Fahrradfahrer. „Alle Appelle für eine freiwillige Nutzung von Fahrradhelmen sind ins Leere gelaufen“, sagte der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Heiko Müller am Donnerstag auf einem Verkehrsforum seiner Gewerkschaft in Essen. Unfälle könnten dadurch zwar nicht vermieden werden, die Folgen aber deutlich gemildert werden. Für Pedelecfahrer sei die Helmpflicht ohnehin schon längst überfällig. Schließlich gelte sie für Mofafahrer bereits seit Jahrzehnten.

Keine Zahlen zu Helmträgern

Wie hoch der Anteil der Fahrradfahrer ist, die freiwillig mit Helm fahren, ist nicht bekannt. Belastbare Studien dazu fehlen. Einer Beobachtung der Bundesanstalt für Straßenwesen aus dem Jahr 2014 zufolge liegt die Quote bei 17 Prozent. Beobachtet wurden allerdings nur Radfahrer in sechs Städten. „Wir brauchen daher eine bundesweit gültige Studie, um belastbare Zahlen zu bekommen“, sagt der Bochumer Fachanwalt Michael Herkenhoff. Solange das nicht der Fall sei, sehe er keine realistische Chance für die Einführung einer Helmpflicht. „Bislang hat sich auch noch kein Verkehrsminister getraut, für die Helmpflicht zu plädieren“, so Herkenhoff.

Auch Fahrradverbände wie der ADFC haben sich wiederholt gegen eine allgemeine Helmpflicht ausgesprochen. Eine ihrer Befürchtungen lautet: Viele würden deshalb nicht mehr Fahrrad fahren und stattdess en auf das Auto umsteigen. Eine Studie, die die Verkehrsministerin von Thüringen und Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hat, kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass mehr als 80 Prozent der Fahrradfahrer einen Helm aufziehen würden, wenn das Pflicht wäre.

Auch wenn es bislang keine gesetzliche Vorschrift für das Tragen eines Fahrradhelms gibt, ist es schon vorgekommen, dass Versicherungen bei Unfällen die Zahlungen gekürzt haben. Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung sollten Fahrradfahrer zum Selbstschutz einen Helm tragen, raten Ärzte und Verkehrsexperten.

Viele Kinder unter den Verunglückten

Die meisten Radfahrer, die im vergangenen Jahr in NRW verunglückt sind, gehören laut Verkehrsunfallstatistik den Altersgruppen der zehn bis 14-Jährigen sowie der 45- bis 50-Jährigen an. „Den Jüngeren fehlen vor allem motorische Fähigkeiten“, erklärt Wollgramm. „Bei den Älteren handelt es sich häufig um sogenannte Wiedereinsteiger, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und das als Fitness betrachten“, erklärt der Verkehrsexperte des Innenministeriums. Demnach gab es im vergangenen Jahr die meisten Fahrradunfälle in Großstädten im Ruhrgebiet und im Rheinland. Die meisten Pedelec-Unfälle hingegen passierten auf dem Land. Der Statistik zufolge ist die Zahl dieser Unfälle 2018 deutlich gestiegen. Gab es im Jahr 2017 landesweit 1391 Unfälle, so waren es in den ersten neun Monaten 2018 schon 1636.

Die häufigsten Fahrradunfälle passieren laut Innenministerium beim Abbiegen (26 Prozent) und an Einmündungen und Kreuzungen (20 Prozent). Bei den 50 tödlichen Unfällen ist demnach in 31 Fällen der Radfahrer Schuld gewesen.

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