Pferdefleisch-Verdacht bestätigt sich bei immer mehr Produkten

Berlin · Noch immer haben die deutschen Lebensmittelbehörden keinen Überblick über das Ausmaß des Pferdefleisch-Skandals. Der Handel nimmt immer noch Fertiggerichte aus den Regalen. Die EU berät über Konsequenzen.

Der Pferdefleisch-Verdacht bestätigt sich bei immer mehr Produkten. Prüfer fanden die Zutat in weiteren Fertiggerichten, die angeblich nur Rindfleisch enthielten. Branchenkenner äußerten den Verdacht, dass illegal geschlachtete Pferde im Hackfleisch landeten.

Zuvor war das Medikament Phenylbutazon in Pferdefleisch aus britischen Exporten nachgewiesen worden. Das Mittel sei für Menschen keineswegs harmlos, warnen Arzneimittel-Experten. Mit Konsum nahm eine weitere Kette ihre Tiefkühl-Lasagne aus den Regalen. In Brüssel berieten Experten aller EU-Staaten über Konsequenzen aus dem Skandal.

Dabei ging es am Freitag um die Einführung europaweiter Gentests. Mit solchen Untersuchungen könnte festgestellt werden, von welchen Tieren verarbeitetes Fleisch stammt.

Unterdessen verdichtet sich der Verdacht krimineller Machenschaften hinter dem Skandal. "Wir können uns nicht vorstellen, dass Pferdefleisch zu einem Bruchteil des Preises für Rind legal gehandelt wird", sagte der Sprecher des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV), Gero Jentzsch.

Weil der Markt für Pferdefleisch so klein ist, können allerdings weder der DFV noch die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn einen genauen Preis für Pferdefleisch nennen. Pferd sei in Deutschland aber nicht generell günstiger als Rind, hieß es.

Die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker warnte vor dem Medikament Phenylbutazon, das in britischem Pferdefleisch entdeckt wurde. "Es ist ein stark wirksames Mittel gegen Entzündungen im Körper und keinesfalls total unproblematisch", sagte die Expertin Petra Zagermann-Muncke.

Als Nebenwirkungen seien schwere allergische Reaktionen - Hautausschläge oder Asthma - oder Blutbildschäden möglich, auch unabhängig von der Dosis.

Phenylbutazon wird bei Pferden als Dopingmittel verwendet. Tests der britischen Lebensmittelaufsicht hatten ergeben, dass Fleisch von acht mit dem Medikament gespritzten Pferden wohl in die Nahrungskette geraten ist. Das ist eigentlich verboten. Die britischen Behörden schätzten das Gesundheitsrisiko für Menschen als gering ein.

Der deutsche Lebensmittelhandel wies Vorwürfe zurück, Supermarktketten hätten ihre Kunden zu spät über mögliches Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne informiert. Die Firmen hätten angesichts erster Verdachtsfälle die "Produkte vorsorglich aus dem Verkauf genommen", teilte Präsident Friedhelm Dornseifer vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL) in Berlin mit.

BVL-Pressesprecher Christian Böttcher erläuterte: "So lange wir nicht wissen, was los ist, ziehen wir Produkte zurück. Wir informieren aber erst, wenn wir sicher wissen, um was es sich handelt."

Außer in Lasagne wurde nach Angaben des österreichischen Gesundheitsministeriums auch im Fertiggericht "Tortelloni Rindfleisch" ein nicht deklarierter Anteil an Pferdefleisch gefunden. Das Produkt war den Informationen zufolge bei Lidl Österreich erhältlich. Produziert wurde es laut Angabe der Behörde von dem Stuttgarter Hersteller "Gusto".

Alle betroffenen Produkte würden jetzt aus den Regalen genommen. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch weitere Proben mit Pferdefleisch entdecken", sagte Ministeriumssprecher Fabian Fußeis.

Die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann geht davon aus, dass auch ihre Lasagne der Eigenmarke A&P Pferdefleisch enthält. Der französische Hersteller Comigel habe seine Kunden offiziell informiert, dass unabhängige Labore in Fertiggerichten aus seiner Produktion Pferdefleisch entdeckt hätten. Eigene Testergebnisse lägen noch nicht vor, erklärte Kaiser's Tengelmann.

Auch das Handelsunternehmen Konsum Leipzig nahm eine Tiefkühl-Lasagne aus dem Angebot. Kunden, die ihre "Lasagne Bolognese Gut&Günstig" gekauft haben, könnten sie jederzeit in einer der rund 70 Filialen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt zurückgeben. Konsum ist ein eigenständiges Unternehmen und bezieht seine Ware unter anderem von Edeka.

Wie viele Packungen mit angeblichem Rinderhack unter Pferdefleisch-Verdacht bislang in Deutschland aus dem Handel gezogen wurden, blieb zunächst unklar. Einige Bundesländer erwarten erst kommende Woche genaue Zahlen. Die Tests laufen weiter.

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