Interview: Werner Patzelt "Pegida ist nur der Katalysator"

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt sieht die Pegida-Bewegung als Symptom einer tiefer sitzenden Angst vor den Folgen starker Zuwanderung.

 Werner J. Patzelt ist Gründungsprofessor des Dresdner Instituts für Politikwissenschaft und hat den Lehrstuhl für Politische Systeme und Systemvergleich seit 1991 inne. Schwerpunkte der Forschung des 62-Jährigen sind unter anderem vergleichende Analysen politischer Systeme, die Parlamentarismusforschung und die Analyse politischer Kommunikation.

Werner J. Patzelt ist Gründungsprofessor des Dresdner Instituts für Politikwissenschaft und hat den Lehrstuhl für Politische Systeme und Systemvergleich seit 1991 inne. Schwerpunkte der Forschung des 62-Jährigen sind unter anderem vergleichende Analysen politischer Systeme, die Parlamentarismusforschung und die Analyse politischer Kommunikation.

Foto: dpa

Gestern haben in Dresden Tausende Pegida-Anhänger gegen die Islamisierung des Abendlandes demonstriert. Ist unser Land so bedroht?
Werner Patzelt: Pegida hat die Stimmung schon allein deshalb verändert, weil bundesweit darüber berichtet worden ist. Pegida ist aber nur das Symptom eines allgemeinen Problems. Es geht um den Wandel unseres Landes zu einer Einwanderungsgesellschaft. Dabei bezieht sich eine der Fragen der Demonstranten auch darauf, welche islamischen Konflikte wohl nach Deutschland importiert werden. Die Menschen treibt eine Angst, entheimatet und vom Islam überrollt zu werden. Es geht um eine allgemeine Aversion gegen die politische Klasse und gegen die Medien, die mit Verachtung auf die Sorgen der Menschen reagiert haben.

Und wie gefährlich ist das für die Demokratie?
Patzelt: Wenn es lediglich ein Dresdner Lokalphänomen wäre, wäre es nicht weiter gefährlich. Aber mit Pegida in Dresden zeigen sich ja grundsätzliche Probleme unserer Demokratie: Der Bundestag verhält sich in der Einwanderungsdebatte wie eine Gouvernante, die den ungezogenen Pegida-Kindern sagt, was sie tun und was sie nicht tun dürfen.

Sind Pegida-Organisatoren harte Rechtsextremisten, die Gift im Land verspritzen, wie Bundesinnenminister de Maizière sagt?
Patzelt: Für Leute wie Lutz Bachmann und Tatjana Festerling ist das mit dem Gift verspritzen nicht verkehrt. Aber die meisten Demonstranten kommen nicht wegen Bachmann oder Festerling, sie nutzen eine Bühne, ihre vom Mehrheitskonsens abweichenden Positionen auszudrücken, selbst wenn sie sich für etliche der Reden, die dort gehalten werden, fremdschämen.

Auch dafür, dass Pegida-Demonstranten Vizekanzler Sigmar Gabriel symbolisch an einem Galgen aufhängen wollen?
Patzelt: Der Übeltäter sagt, er habe lediglich ironisieren wollen. Tatsächlich hat er sich dabei aber im Symbol und im Ton sehr vergriffen. Das geht natürlich nicht und zeigt, wie verroht unsere Sprache und unser Verhalten bei Demonstrationen bereits geworden ist. Deswegen ist es völlig richtig, an dieser Stelle die ganze Härte des Gesetzes anzuwenden.

Warum sind Politiker, die Grenzen für Flüchtlinge öffnen, "Volksverräter" und Medien, die darüber berichten, "Lügenpresse"?
Patzelt: Natürlich ist niemand Volksverräter, nur weil er als verantwortlicher Politiker Grenzen offen lässt. Aber zugleich müssen sich Politiker fragen lassen, was von einem Staat übrig bleibt, wenn dieser Staat sagt, er habe keine Kontrolle mehr über die eigenen Landesgrenzen und keine Kontrolle mehr darüber, wer in diesem Land lebt. Der Begriff "Volksverräter" ist dafür natürlich viel zu hoch gegriffen, aber es ist zugespitzter Ausdruck von Sorgen eines Teils der Bevölkerung.

Hat Pegida das Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin begünstigt?
Patzelt: Wir haben ein Klima verschärfter Ausländerfeindlichkeit und Gewalt im Lande. Doch Pegida hat hier im Wesentlichen eine Katalysatorfunktion und ist nicht Ursache dafür. Attentate mit ausländerfeindlichem Hintergrund hat es ja vorher schon gegeben. Aber Pegida hat diese Stimmung in besonderer Weise aufgeheizt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Aus dem Ressort