Kommentar zum Amoklauf in München Ohne Hysterie

Meinung | München · Fast konnte man den Eindruck haben, es habe sich – und das ist keinesfalls zynisch gemeint – eine gewisse Erleichterung darüber eingestellt, dass es sich bei der grausamen Bluttat von München „nur“ um einen Amoklauf gehandelt hat – und nicht um einen terroristischen Anschlag, womöglich mit islamistischem Hintergrund.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat recht mit seinem Hinweis, dass dies für die Opfer und ihre Angehörigen keine Rolle spielt. Aber in Würzburg hat es einen solchen Terroranschlag sehr wohl gegeben, und es ist richtig, dass die Politik beide Ereignisse zusammen zum Anlass nimmt, generell über die Sicherheitslage neu nachzudenken.

Sie muss das in einem sachlichen Ton und ruhigen Blutes tun. Die erheblichen Aufwallungen im Netz während der ersten Stunden des Münchner Dramas haben auch deutlich gemacht, dass die Bürger beunruhigt, angespannt und höchst besorgt sind. Angst ist ein schlechter Ratgeber, und alle Beteiligten müssen sich rückblickend fragen, ob sie immer alles getan haben, um unnötige Hysterie zu vermeiden.

Die Polizei steht da über allen Zweifeln. Gerade die öffentliche Kommunikation der Münchner Polizei war kompetent, besonnen und angemessen. Was man – um es auch gleich zu sagen – von den Medien nicht immer sagen konnte. Welchen Sinn hat es, stundenlang auf Sendung zu bleiben, lässt sich zum Beispiel fragen, wenn wortmüde Reporter vor geleerten Schauplätzen nur noch immer wieder in neuen Worten die ewig gleiche Botschaft wiederholen können, dass es nun mal keine neuen Erkenntnisse gebe. Was die Studiobesatzungen nicht davon abhält, Experten fern ab vom Geschehen eine substanzlose Spekulation nach der anderen herunterleiern zu lassen.

Die Politiker haben sich weitgehend zurückgehalten. Abgesehen von einigen Rechten, die meinten, ihr Süppchen kochen zu können. Und abgesehen von jenem CSU-Bundestagsabgeordneten, dessen Namen man sich nicht merken sollte, der schon am Freitagabend (!) nach einem Bundeswehr-Einsatz rief.

Dieses Bundeswehr-Thema muss man ohne Schaum vor dem Mund bereden. In Katastrophenlagen, wo jede helfende Hand gebraucht wird, sind Sanitäter der Bundeswehr genauso willkommen wie Soldaten, die anpacken, wo Hilfe gebraucht wird. Das ist heute schon längst möglich. Wer aber meint, nach Anschlägen die Soldaten mit Polizeiarbeiten und -befugnissen betrauen zu sollen, der beschreitet einen gefährlichen, aber auch einen unnötigen Weg. Denn die Polizei, nicht die Bundeswehr, hat die Ausbildung, das Training und die Kenntnis, die es braucht, um solche Lagen zu bewältigen. München hat das bestätigt. Also sollte man diese Debatte beenden.

Anderes wird man bereden müssen. Da uns der weltweite Terror auch nach einem Sieg über den IS, wenn er denn irgendwann kommt, weiter beschäftigen wird, brauchen wir eine koordinierte und finanziell langfristig gesicherte Präventionsarbeit. Die Hetze im Netz muss gestoppt werden. Man kann auch der Frage nachgehen, wie der illegale Waffenhandel besser bekämpft werden kann. Aber absolute Sicherheit gibt es in einer freien Gesellschaft nicht. Die Risiken kennen und dennoch eine gewisse Gelassenheit behalten – das ist die Herausforderung, für die Politik wie für die gesamte Zivilgesellschaft.

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