Berlin nach dem Brexit-Votum Nun fordert auch die AfD ein Referendum

Berlin · Nach dem britischen Votum für einen EU-Ausstieg ist die Stimmung in Berlin gedrückt. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt vor Aktionismus. Die AfD allerdings will nun auch ein Referendum für Deutschland.

 SPD-Chef Sigmar Gabriel (M.) ging mit der Brüsseler Sparpolitik ins Gericht.

SPD-Chef Sigmar Gabriel (M.) ging mit der Brüsseler Sparpolitik ins Gericht.

Foto: dpa

Die Lage: ernst. Die Stimmung: zwischen enttäuscht und aufgebracht. Das am häufigsten gewählte Bild des Tages: „ein bisschen schwanger“, was es bekanntlich nicht gibt, wie es an diesem sehr besonderen Tag unter anderem Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und Grünen-Chefin Simone Peter betonen. Kauder gibt sich ebenso entschlossen wie verärgert: „Man kann nicht halb draußen sein und halb drin.“ Raus ist raus. Und Großbritannien habe so entschieden. In Deutschland, sagt Kauder trotzig, „wäre eine solche Entscheidung nicht möglich“.

Einig ist sich die Alternative für Deutschland (AfD) darin, wer schuld am Brexit ist. „Frau Merkel hat mit ihren offenen Grenzen die Briten aus Europa vertrieben“, sagte der Bundesvize Alexander Gauland zur Entscheidung in Großbritannien. Aus Gaulands Sicht sei bei der Abstimmung die „ungeregelte Zuwanderung“ nach Großbritannien ausschlaggebend gewesen. Doch wer erwartet hat, dass die rechtspopulistische Partei den EU-Ausstieg eines Landes zum Vorbild stilisiert, wird eines Besseren belehrt. „Ich bedauere den Schritt Großbritanniens“, sagte Gauland. Er finde zwar gut, dass die Briten in einer Volksabstimmung die Möglichkeit gehabt hätten, über diese Frage abzustimmen. „Das Volk hat die Souveränität zurückgewonnen.“ Mit dem Ergebnis ist Gauland aber nicht glücklich.

„Ich bin nicht dafür, dass wir eine Kampagne für den Austritt Deutschlands aus der EU anstreben“, meinte Gauland. Das sehen einige Landeschefs in der AfD ganz anders. Der nationalkonservative thüringische Fraktionsvorsitzende Björn Höcke erklärte: „Ich fordere einen Volksentscheid über den Verbleib Deutschlands in der EU.“ Er sei sich sicher, dass die Mehrheit des deutschen Volkes aus der „EU-Sklaverei“ raus wolle.

Ein Tag in Aufregung, auch an einem anderen Ort. Bundestagspräsident Norbert Lammert versucht es zu Beginn der Plenumssitzung noch mit Humor: „Dennoch ist die Sonne heute morgen wieder aufgegangen.“ Etwas später versammelt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Fraktions- und Parteichefs der im Bundestag vertretenen Parteien im Kanzleramt. Wie nur weiter machen nach dem Brexit?

Deutschland soll möglichst geschlossen auftreten bei einem Thema dieser Bedeutung. Eine gute Stunde führt Merkel über die Rechtslage und die nächsten Schritte aus. Die Fraktionen beraten in Sondersitzungen. Schon am Dienstag kommt der Bundestag außer Plan wieder in Berlin zusammen. Dann wird Merkel eine Regierungserklärung zum Brexit und den Folgen abgeben, ehe sie weiter zum EU-Rat nach Brüssel fliegt.

Die deutsche Regierungschefin will in der aufgeregten Lage vor allem eines vermeiden: Schnellschüsse. Keine Frage, dieser Brexit sei „ein Einschnitt für Europa“. Doch was die Folgen dieses britischen Referendums „in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren“ sein würden, hänge eben genau davon ab, ob die anderen 27-EU-Mitgliedsstaaten eben „keine schnellen und einfachen Schlüsse“ ziehen, „die Europa nur spalten würden“, warnt Merkel.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel reist am Montag nach Paris, wo sich nach dieser Brexit-Entscheidung die Chefs der sozialdemokratischen Parteien Europas treffen. Gabriel sieht in dem Brexit-Votum „nicht das Ende Europas“, aber doch eine Warnung: „Das ist ein Schuss vor den Bug.“ Vielleicht müsse man Europa wieder stärker an den Menschen ausrichten, denn durch Sparen allein entstehe für die junge Generation keine Arbeit. Gabriels Worte können durchaus als Kritik an Merkel verstanden werden. Deutschland sei auch „oftmals mit erhobenem Zeigefinger“ durch Europa gegangen.

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