Sorge vor Belastungsprobe Neue Unruhe um Wahlkampf türkischer Politiker in Deutschland

Istanbul · Schon in etwas mehr als zwei Monaten wird voraussichtlich in der Türkei gewählt - wieder einmal. Wahlkampf türkischer Politiker in Deutschland ist inzwischen verboten. Eine Debatte darüber gibt es trotzdem.

 Im Mai 2014 wurde der damalige türkische Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan in der Lanxess-Arena in Köln von seinen Anhängern gefeiert.

Im Mai 2014 wurde der damalige türkische Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan in der Lanxess-Arena in Köln von seinen Anhängern gefeiert.

Foto: Henning Kaiser

Kaum hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für Juni vorgezogene Wahlen angekündigt, geht die Debatte um Wahlkampfauftritte in Deutschland wieder los. Politiker mehrerer Parteien warnten vor einem Wahlkampf türkischer Politiker in Deutschland.

Der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu sieht dagegen keine neue Belastungsprobe für die deutsch-türkischen Beziehungen durch die geplanten Parlaments- und Präsidentenwahlen.

"Wir als AK-Partei werden alles unternehmen, um eventuelle Belastungen für die deutsch-türkischen Beziehungen zu vermeiden", sagte Yeneroglu der Deutschen Presse-Agentur. In Ankara wies man unterdessen Kritik der Opposition zurück, die eine Aufhebung des gerade erst verlängerten Ausnahmezustands vor den Wahlen fordert.

Erdogan hatte am Mittwoch vorgeschlagen, die für November 2019 geplanten Parlaments- und Präsidentenwahlen auf den 24. Juni 2018 vorzuziehen. Bereits an diesem Freitag wird das Parlament über den Vorschlag beraten. Eine endgültige Festlegung des Termins unterliegt in der Regel der Wahlbehörde.

Die Wahlen im Juni würden die schrittweise Einführung des Präsidialsystems schneller abschließen, für das im April 2017 eine knappe Mehrheit der Türken in einem umstrittenen Referendum gestimmt hatte. Bei einer Wiederwahl würde Erdogan deutlich mehr Macht erhalten.

Vor dem Referendum hatten Auftritte türkischer Spitzenpolitiker in Deutschland die Beziehungen zwischen beiden Ländern stark belastet. Wahlkampfauftritte von Amtsträgern aus Nicht-EU-Staaten - also auch aus der Türkei - sind inzwischen drei Monate vor Abstimmungen in ihrem Land verboten.

Dennoch flammt die Debatte in Deutschland wieder auf. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Bei anstehenden Wahlen in der Türkei muss der Wahlkampf dort geführt werden und nicht bei uns in Deutschland." Burkhard Lischka, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Hier besteht kein Bedürfnis für irgendwelche Auftritte, die letztlich dazu dienen, die parlamentarische Demokratie in der Türkei abzuschaffen."

Der AKP-Abgeordnete Yeneroglu dagegen sagte, man werde in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden einen Weg finden, um auch die Wähler in Deutschland vor der geplanten Wahl zu informieren, ohne die Beziehungen zu belasten. Er sei "sehr zuversichtlich", dass eine Lösung gefunden werde.

Der türkische Regierungssprecher Bekir Bozdag versicherte, der Ausnahmezustand werde weder den Wahlkampf noch die Abstimmung selbst negativ beeinflussen. Dagegen sagte der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu der dpa, aufgrund des Ausnahmezustands werde es keinen fairen Wahlkampf geben.

Erdogan hatte den Ausnahmezustand nach dem Putschversuch vom Juli 2016 ausgerufen; am Mittwoch wurde er zum siebten Mal verlängert. Damit bleiben Grundrechte eingeschränkt und Erdogan kann weitestgehend per Dekret regieren. Die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische HDP fordern eine Aufhebung der Maßnahme. Auch die EU-Kommission hatte am Dienstag in ihrem Türkei-Bericht den Ausnahmezustand scharf kritisiert und eine Aufhebung gefordert.

Bei dem Verfassungsreferendum im April vergangenen Jahres waren zusätzlich zu den 55,3 Millionen Wahlberechtigten in der Türkei 2,9 Millionen Türken im Ausland zur Wahl aufgerufen, davon 1,43 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Bernd Eyermann
zum Wechsel im Amt
Nicht alles gut
Kommentar zum Wechsel im Amt des DatenschutzbeauftragtenNicht alles gut
Zum Thema
Aus dem Ressort