Abstimmung verschoben Nach SPD-Wahlniederlagen wackelt Bund-Länder-Finanzpakt

Berlin · Der nach jahrelangen Verhandlungen erzielte Kompromiss von Bund und Ländern zu den Finanzbeziehungen steht wieder auf der Kippe. Offiziell verschiebt der Bundestag die Abstimmung wegen Fragen zur Autobahngesellschaft. Doch es dürfte ganz andere Gründe geben.

 Offiziell werden noch offene Details zur umstrittenen Autobahngesellschaft als Grund dafür genannt, dass die Abstimmung über den Bund-Länder-Finanzpakt verschoben wird.

Offiziell werden noch offene Details zur umstrittenen Autobahngesellschaft als Grund dafür genannt, dass die Abstimmung über den Bund-Länder-Finanzpakt verschoben wird.

Foto: Holger Hollemann

Nach den Niederlagen der SPD bei den jüngsten Landtagswahlen wackelt die mühsam ausgehandelte Reform der Bund-Länder-Finanzen.

Die ursprünglich für diesen Freitag angesetzte Abstimmung des Bundestages über das umfangreiche Gesetzespaket einschließlich Grundgesetzänderungen wurde überraschend vertagt. Ein neuer Termin wurde am Dienstag noch nicht festgelegt.

Als offizieller Grund werden noch offene Details zur umstrittenen Autobahngesellschaft genannt. In Unionskreisen ist allerdings auch von einer Reaktion der SPD auf die herbe Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen die Rede. So stehe das Gesamtpaket wieder zur Diskussion.

Damit wird der Zeitplan für die Reform immer enger. Für die Grundgesetzänderungen ist im Bundestag und anschließend im Bundesrat jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. "Für die SPD-Fraktion kommt eine Verkehrs-Infrastrukturgesellschaft nur in Frage, wenn eine Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür rechtssicher ausgeschlossen wird". Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte, es gebe bei Verkehrspolitikern noch Gesprächsbedarf. "Natürlich ist die Ausgestaltung der Infrastrukturgesellschaft immer noch ein Punkt."

Allerdings hatten sich die zuständigen Haushaltspolitiker von Union und SPD erst vor kurzem auf letzte Änderungen zur geplanten Infrastrukturgesellschaft verständigt. Eine Privatisierung der Gesellschaft und Autobahnen ist vom Tisch. Zudem soll die Bundesautobahngesellschaft unter weitgehender Kontrolle des Parlaments stehen. Damit könne die Gesellschaft nicht - wie von der Bundesregierung geplant - weitgehend unabhängig agieren.

Aus der Union verlautete vielmehr, die SPD-Fraktion habe signalisiert, dass momentan keine Mehrheit mehr sicher sei. Auch gehe es um den im Herbst ausgehandelten Kompromiss zwischen dem Bund und den damals regierenden 16 Ministerpräsidenten. Der komme vor allem auch Nordrhein-Westfalen zugute - etwa bei der Umsatzsteuerregelung und den Kommunalinvestitionen. Auch Bayern profitiere in besonderem Maße, hieß es in der Union. Nach der Abwahl der rot-grünen Koalition und dem Sieg der CDU in Nordrhein-Westfalen würden nun aber zwei Unions-Länder von Sonderregeln profitieren.

Bund und Länder hatten sich im Oktober nach langen Verhandlungen auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Danach sollen die Länder von 2020 an jährlich 9,75 Milliarden Euro vom Bund erhalten - Tendenz steigend. Das ist deutlich mehr Geld als bisher. Der Bund bekommt dafür mehr Eingriffsrechte - etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung und bei Investitionen in Schulen. Verwaltung, Bau und Betrieb von Autobahnen und anderen Bundesfernstraßen sollen an den Bund übergehen.

Unions-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU) verwies darauf, dass es gründliche parlamentarische Beratungen gegeben habe, mit allein sechs öffentlichen Anhörungen des Bundestages zu den verschiedenen Themen. Mit der SPD sei in vielen Fragen eine große Übereinstimmung gefunden worden: "Der immer wieder vorgetragene Vorwurf, dass Autobahnen privatisiert werden können, trifft nicht zu."

Aus Sicht von Anja Hajduk von den Grünen werden nach der NRW-Wahl die Risse in der Regierungskoalition endgültig zu tiefen Schluchten. Natürlich müsse eine Privatisierung der Autobahnen rechtssicher ausgeschlossen werden: "Die Lösungen hierfür liegen aber längst auf dem Tisch." Dass für die hektische Verschiebung weiterer Abstimmungsbedarf angeführt werde, sei unglaubwürdig.

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