Sommerkonferenz der Kanzlerin Merkel will es weiter schaffen

Berlin · Die Bundeskanzlerin unterbricht ihren Urlaub, um dem Land in Zeiten von Terror ein Gefühl von Sicherheit zurückzugeben. Ansichten der Bundespressekonferenz.

 Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz.

Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz.

Foto: AFP

Müde? Erschöpft? Von der CSU getrieben? Von Horst Seehofer provoziert? Nun gut, Angela Merkel kommt direkt aus dem Urlaub, wenn man diese Zeit halbfreier Tage bei vollen Ereignissen auch nur im Ansatz so nennen kann. Am Sonntag wird die Bundeskanzlerin dienstlich schon wieder beim Trauerakt für die Opfer des Amoklaufs in München sein. Also: „Frau Bundeskanzlerin, fühlen Sie eine gewisse Erschöpfung?“ Merkel weiß natürlich, dass eine erschöpfte Bundeskanzlerin, selbst wenn sie es nach all den Strapazen der vergangenen Monate sein muss, kein gutes Aushängeschild wäre. Erst recht nicht, wenn sie noch später im Jahr oder wann auch immer, jedenfalls „zu gegebener Zeit“, bekannt geben will, ob sie noch einmal für das höchste deutsche Regierungsamt kandidiert: Bundeskanzlerin.

Und auch wenn beispielsweise CSU-Chef und Quertreiber Horst Seehofer und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) genauso erschöpft sein müssten wie sie, Merkel antwortet so: „Abends gehe ich schon manchmal ganz gerne ins Bett und schlafe, also so ist es nicht. Aber die Aufgabe ist es doch, eine Lösung zu finden.“ Pause. „Erschöpfung würde ich nicht sagen, aber ich bin nicht unterausgelastet.“ Das ist typisch Merkel. Müdigkeit gewissermaßen abgehakt oder irgendwie ignoriert, dafür sich dann voll „der Aufgabe“ zugewandt. „Die Aufgabe“ hat sie an diesem Tag sechs ihres Urlaubs in der Uckermark, fernab von Wagner in Bayreuth oder von Wandertouren mit Reinhold Messner in Südtirol, in die Bundespressekonferenz getrieben, weil wohl doch droht, CSU-Chef Horst Seehofer könnte in diesen Tagen nach den Attentaten von Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach eine gewisse Deutungshoheit über die Ereignisse erlangen, was Merkel aber so nicht sagt. Die Bundeskanzlerin bekräftigt in dieser späten Mittagsstunde noch einmal, was sie bereits vor gut elf Monaten als Devise ihrer Flüchtlingspolitik ausgegeben hat: „Wir schaffen das!“ Das Land soll wissen, Deutschland sei weiter „in guter Verfassung“, zitiert sie noch einmal aus dem Protokoll ihres Auftritts am 31. August 2015 vor der Hauptstadtpresse.

Merkel geht seit geraumer Zeit durch schwierige Zeiten und durch tiefes Wasser. Ein Terrain mit Untiefen, die auch sie, die mächtigste Frau der Welt, fortspülen können. Euro-Krise, Rettungsschirme, Flüchtlingsansturm, Türkei-Deal, Brexit, Türkei-Putschversuch. Und nun ist auch der Terror in Deutschland angekommen. Das verändert vieles. Merkel sagt: „Dass wir uns in einem Krieg gegen den IS befinden, ist unbestritten. Aber wir befinden uns in keinem Krieg gegen den Islam.“ Denn auch die Bundeskanzlerin hatte schon vor geraumer Zeit betont, dass der Islam, erst recht die hier lebenden Muslime, zu Deutschland gehörten.

Ob Merkel derzeit mit Flüchtlingsansturm und Terrorattentaten auch in Deutschland durch die schwerste Zeit ihrer mittlerweile elf Jahre als Bundeskanzlerin gehe, wird sie gefragt. Merkel mag solche Superlative nicht, weil sie weiß, dass Schlagzeilen nach der Lesart „Wir gehen durch ganz schwere Zeiten“ Unruhe im Land verbreiten könnten und am Ende nicht gut für sie selbst wären. Einverstanden, das hier ist „eine schwierige Zeit, aber wir hatten auch schon andere schwierige“.

Merkel ist aus dem Urlaub angerauscht, um den Menschen das Gefühl zu geben, ihre Bundesregierung mache eben keine Sommerpause, wenn es darauf ankommt. Die Kanzlerin hat einen Neun-Punkte-Plan mitgebracht, mit dem mehr Sicherheit für die Menschen im Lande einziehen soll. Schließlich seien die jüngsten Anschläge wie auch der Amoklauf an Orten passiert, „an denen jeder von uns sein könnte“.

Dass sie Würzburg, München, Reutlingen oder Ansbach nicht besucht habe, habe nichts zu bedeuten. Besuchen oder wegbleiben? „Das ist eine Frage, die stelle ich mir jedes Mal, wenn etwas passiert.“ Und sie entscheide „von Fall zu Fall“. Wie gesagt, am Sonntag werde sie in München sein. Die Bundeskanzlerin jedenfalls will den Menschen Zuversicht und das Gefühl von Sicherheit zurückgeben. Am Vormittag noch hat sie mit SPD-Chef Sigmar Gabriel telefoniert, um Inhalte ihres Auftritts mitten in der parlamentarischen Sommerpause mit ihm abzustimmen. Ja, die SPD, die muss ja auch noch ihren Kanzlerkandidaten bestimmen. Ob es ihr egal sei, wer gegen sie antrete, wird Merkel gefragt. Die Frage birgt einen kleinen Stolperstein für Merkel, weil je nach Antwort es auch so gedeutet werden könnte, dass Merkel sich bereits entschieden habe, noch einmal zu kandidieren.

„Das wird die SPD sicher selbstbewusst machen“, sagt Merkel, was irgendwie alles offen lässt. Die Entscheidung der SPD sowieso, und ihre eigene auch. „Heute ist nicht der Zeitpunkt“, sagt Merkel über den Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer möglichen Kandidatur für das Bundeskanzleramt.

Merkel ist dann wieder dort, wo sie als öffentliche Person am liebsten ist: bei Dienstpflicht und Aufgaben. Für Deutschland sei dies eine „historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung“. Noch einmal für alle, bitte herhören: „Wir schaffen das!“ Sie wirkt mit sich im Reinen: „Ich habe das Gefühl, verantwortlich und richtig zu handeln, und keine anderen Gefühle.“ Dabei wären eine Mütze Schlaf und einige freie Tage wirklich nicht schlecht, auch wenn Erschöpfung, nein, falsches Wort, nicht ihr Zustand sein darf.

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