Kommentar zur Debatte um die Ehe für alle Macht und Mehrheit

Meinung · Die SPD, in diesen Tagen vom Glück nicht verfolgt, freut sich über den Erfolg, kann aber Merkel schon wieder nicht so vor sich hertreiben, wie sie gerne würde, kommentiert GA-Korrespondent Holger Möhle.

Politik ist ein Geschäft mit der Macht und deswegen nicht immer logisch. Was jahrelang blockiert ist, kommt über Nacht in Bewegung. Seit mindestens vier Jahren will die SPD die „Ehe für alle“ umsetzen. CDU und CSU blockierten das Vorhaben, weil ihnen dazu schon 2013 der Koalitionsvertrag ein maximales Zugeständnis abverlangt hatte. Aber jetzt, man glaubt es kaum, räumt CDU-Chefin Angela Merkel quasi im Vorbeigehen ihr Nein zur Ehe für alle ab. Fast so, als wäre nichts gewesen.

Damit das eigene Lager nicht zu sehr rebelliert, entdeckt die CDU-Chefin das Instrument der Gewissensentscheidung. Frei von Fraktionszwang ließe sich bei diesem Thema dann aus der Mitte des Parlamentes heraus ein Gruppenantrag initiieren, die Abgeordneten nur dem eigenen Gewissen zu verpflichten. Merkel weiß: Besser sie erweckt den Eindruck, ein Thema zu setzen, das gegen eine Mehrheit des neuen Bundestages ohnehin nicht zu stoppen wäre, bevor es eine ungewisse Dynamik im Bundestagswahlkampf aufnimmt. Jetzt ist es durch: Die CDU-Vorsitzende gibt die Abstimmung über die Ehe für alle in der Unionsfraktion frei.

Die SPD, in diesen Tagen vom Glück nicht verfolgt, freut sich über diesen Erfolg, kann aber Merkel schon wieder nicht so vor sich hertreiben, wie sie gerne würde. Thema (von SPD, Grünen, Linken und FDP) erkannt, Problem (von Merkel) umgehend gebannt. So ist es eben im Geschäft von Macht und Mehrheit, erst recht in einem Wahljahr. Die SPD, die dieses Thema forciert hat, würde dabei den Punktgewinn gerne mitnehmen.

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