Kommentar zur Selbstzerfleischung der SPD Lust am Untergang

Meinung | Berlin · Erst ein Posten als Außenminister, jetzt der Verzicht: für Martin Schulz scheinen die Koalitionsverhandlungen alles andere als positiv auszugehen. Unser Korrespondent Holger Möhle hat das Verhalten innerhalb der SPD kommentiert.

 Martin Schulz verlässt nach den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD die CDU-Parteizentrale.

Martin Schulz verlässt nach den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD die CDU-Parteizentrale.

Foto: Kay Nietfeld/Archiv

Einmal die Luft anhalten. Eine solche politische Woche hat die Republik noch nicht erlebt. Die SPD, die mit ihren Vorsitzenden selten pfleglich umgegangen ist, beendet gerade die Karriere von Martin Schulz. Am Mittwoch noch als gefühlter Sieger der Koalitionsverhandlungen gefeiert, der wenige Stunden später seinen Anspruch auf den prestigeträchtigen Posten des Außenministers erklärt, vermeldet er jetzt seinen Absturz. Schulz verzichtet auf den Eintritt in eine nächste Bundesregierung. Dazu getrieben haben soll ihn ausgerechnet sein heimischer Landesverband Nordrhein-Westfalen.

Vielleicht erschließen sich so aber einige der Terminabsagen des geschäftsführenden Außenministers Sigmar Gabriel, dem Schulz das Amt entreißen wollte. Man achte auf die Rolle rückwärts von Gabriel: Erst doch kein Auftritt bei der hochkarätig besetzten Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche, dann, wenige Stunden vor der Verzichtserklärung von Schulz, lässt Gabriel am Freitag melden: Er ist beim Treffen des internationalen Politadels in München dabei.

Schulz hat hoch gepokert, er hatte kurzfristig auch ein vermeintlich gutes Blatt in der Hand, und dann hoch verloren. Dass Andrea Nahles und er, um für Schulz das Amt des Parteichefs zu retten, noch einmal öffentlich auftreten und erklären, sie hätten den groß angekündigten Generationswechsel an der Spitze der SPD doch nicht so gemeint, erscheint ausgeschlossen. Damit würde der mit aller Härte und Brutalität geführte Kampf um die Macht in der deutschen Sozialdemokratie vollends zur Politposse.

Am Beispiel von Schulz, Nahles und Gabriel ist abschreckend zu besichtigen: Es gibt, allen anderen Beteuerungen zum Trotz, in der Berufspolitik keine Freundschaften. Es gibt gemeinsame Interessen, die sich nach Lage ändern. Gabriel und Nahles haben sich lange bekämpft, auch verachtet, und dann ein Zweckbündnis geschlossen: Er als Parteichef, sie als Generalsekretärin der Partei. Auch Gabriel und Schulz schlossen sich zusammen – bis die Freundschaftsblase platzte. Zuletzt versuchten Schulz und Nahles einen Gleichschritt – und stolperten.

Gabriel hat in seiner Partei, weil er ein arger Raufbold sein kann, einiges an verbrannter Erde hinterlassen. Schulz, der gescheiterte Kanzlerkandidat, glaubte, sich ins Außenamt retten zu können, wenn er den Parteivorsitz preisgibt und Nahles quasi an der Partei vorbei als seine Nachfolgerin installiert. Und ist damit gescheitert.

Keine Partei im Deutschen Bundestag hat so viel Lust am Untergang wie die SPD. Nur die frühen Grünen beherrschten das Genre „Drama“ noch besser. Schulz weg, Nahles noch nicht dran, Gabriel vielleicht doch weiter Außenminister, Mitgliederentscheid offen. Im Rheinland ist gerade Karneval, aber diese jecke Geschichte hat noch niemand erfunden. Man glaubt sie kaum. Aber am Aschermittwoch stimmt sie immer noch.

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