Kommentar zur Lebensqualität in Deutschland Lebensqualität als nationaler Kraftakt

Meinung | Berlin · Gut leben in Deutschland? Wir leben seit Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Nichts davon ist selbstverständlich. Und in einer Welt voller Veränderung und Reformdruck müssen diese Errungenschaften ständig neu verteidigt und erarbeitet werden.

 Die Menschen in Deutschland wünschen sich vor allem Frieden, Freiheit und Sicherheit.

Die Menschen in Deutschland wünschen sich vor allem Frieden, Freiheit und Sicherheit.

Foto: dpa

Ganz nah bei den Menschen. Das war die Marschroute, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und alle Ministerinnen und Minister ihres Kabinetts im vergangenen Jahr rausgegangen sind und über sechs Monate in allen Teilen der Republik mit dem Volk diskutiert haben. Jetzt könnte die Bundesregierung wissen, wie die Menschen zwischen Mittenwald und Flensburg, zwischen Aachen und Görlitz, sich unter „Gut leben in Deutschland“ vorstellen. In mehr als 200 Veranstaltungen, davon 50 mit einem Mitglied der Bundesregierung, sagten ausgesuchte Bürgerinnen und Bürger, was Lebensqualität in Deutschland für sie ausmacht.

Die Ergebnisse sind nicht wirklich überraschend, weil Freiheit und Sicherheit, aber auch gute Bezahlung und ein sicherer Arbeitsplatz, ebenso ein funktionierendes Gesundheitssystem und gute Bildung für die Menschen wichtig sind. Merkel und ihre Minister dürfen den Bericht gleichwohl getrost als Auftragsbuch für ihr Regierungshandeln betrachten. Frieden in Deutschland und in Europa ist vor dem Hintergrund der Weltkrisen, teilweise direkt vor der europäischen Haustür, nicht selbstverständlich. Und auch im eigenen Land wünschen sich die Menschen Schutz vor Kriminalität, vor Diebstahl oder Einbruch.

Das Verlangen nach einem Leben in Freiheit und Sicherheit zählt seit jeher zu den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger. Gute Löhne und sichere Jobs stehen ebenso weit oben auf der Liste für mehr Lebensqualität, wobei vielen Arbeitnehmern, gerade geringfügig Beschäftigte, ihre Absicherung im Alter große Sorgen bereitet. Dazu passt der jüngste Alterssicherungsbericht der Bundesregierung, nach dem viele Bürger auch nach einem langen Erwerbsleben nicht ausreichend für die Zeit ihres Ruhestands abgesichert sein werden. Das Versorgungsniveau künftiger Rentner wird ohne zusätzliche Altersvorsorge in den kommenden Jahren erkennbar zurückgehen – mit Auswirkungen vor allem für Geringverdiener.

Anfang 2015 waren 17 Millionen Menschen in Deutschland 65 Jahre oder älter. Wenn erst die geburtenreiche Jahrgänge der 1960er Jahre in Rente gehen, wird sich dies gravierend auf das Niveau der Rente und die Folgen für die Gesundheitskosten einer Altersgeneration auswirken. Auskömmliche Renten werden dann sehr viel stärker als heute zum Wahlkampfthema – und eine Debatte über Gerechtigkeit zwischen den Generationen entfachen. Die einen wollen nach langer Lebensleistung ein Altersgeld, das ihnen ein Leben in Würde ermöglicht. Die nachkommende Generation, die die Renten dann erwirtschaften soll, wiederum muss befürchten, dass für sie später sehr wenig übrig bleibt.

Gut leben in Deutschland? Glücklicherweise leben wir seit Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und Wohlstand. Nichts davon ist selbstverständlich. Und in einer Welt voller Veränderung und Reformdruck, aber auch mannigfaltiger Gefahren von innen wie von außen müssen diese Errungenschaften ständig neu verteidigt und erarbeitet werden. Auch wenn bezahlbares Wohnen, gute Schulen oder ausreichend Kita-Plätze keine Revolution verlangen, eine nationale Kraftanstrengung ist es in aller Regel aber schon.

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