Überblick im Gestrüpp der Planungen Landesregierung legt Masterplan für Bauprojekte in NRW vor

BONN · Auf den Fernstraßen in NRW stehen mehr als 200 Bauprojekte an, die gut 20 Milliarden Euro kosten. Doch selbst dringende Vorhaben ziehen sich weit in die 2030er Jahre.

Schreitet ein Straßenplaner zur Tat, benötigt er Stift und Karte – sollte man meinen. Doch manchmal beginnen Planungen mit Kaffee und Kuchen. So geschehen bei der sogenannten Rheinspange A 553 zwischen Wesseling und Niederkassel. Als neues Stück Autobahn soll sie die linksrheinische A 555 und die rechtsrheinische A 59 verbinden. Es ist eines der größten Neubauprojekte, die der Raum Köln/Bonn in den nächsten Jahren vor der Brust hat. Und weil das sehr wahrscheinlich vor Ort für Widerstand sorgt, hat das federführende Land NRW alle Beteiligten – Kommunen, Anwohner, Verbände – im Herbst vorab zu zwei Anhörungen eingeladen. Man traf sich in lockerer Runde, leistete dabei aber konstruktive Vorarbeit für die Planung, die in diesem Jahr beginnen soll. Erst die Bürger fragen und dann planen – dieser Ansatz ist neu in NRW, und er soll beispielhaft auf andere Bauprojekte in dem viel gescholtenen „Stauland Nummer 1“ übertragen werden.

So steht es nun auch im Masterplan, den die NRW-Landesregierung am Montag zum Bundesfernstraßenplan vorgelegt hat. Dort ist von „innovativen Instrumenten der Bürgerbeteiligung“ die Rede, die der Umsetzung der Straßenbauprojekte den Weg ebnen sollen. Das Land NRW will nach den Worten seines obersten Verkehrsplaners Michael Heinze die Planung beschleunigen. So sollen Konflikte möglichst früh erkannt und aus dem Weg geräumt werden – auch eine Lehre aus dem Desaster rund um das Bahn- und Städtebauprojekt Stuttgart 21, das für jahrelange Bürgerproteste sorgte. 2030, so hat Heinze im Herbst prognostiziert, werde der Verkehr über die Rheinspange rollen.

Ob es tatsächlich so schnell gehen wird? Der Masterplan macht deutlich, wie viele Vorhaben das Land zu bewältigen hat – allein im Auftrag des Bundes, der im Fernstraßenbedarfsplan seine Vorstellungen konkretisiert hat. Hier eine Autobahnverbreiterung, da eine neue Brücke, dort eine Umgehung: Allein in NRW stehen mehr als 200 Projekte mit einem Volumen von gut 20 Milliarden Euro an. Und das betrifft ausschließlich die Straße, das Schienennetz ist eine ganz eigene Baustelle. Im wahrsten Sinne.

Nach der Baustelle ist vor der Baustelle

Der von Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) vorgestellte Masterplan soll im dichten Planungsgestrüpp Orientierung bieten. „Wir legen unsere Prioritäten offen“, sagt er. „Künftig werden wir einmal im Jahr über den Fortschritt bei wichtigen Planungsvorhaben berichten.“ Konkret gibt es in NRW 31 Projekte, die bevorzugt geplant werden sollen, um wie vom Bund vorgesehen Engpässe zu beseitigen. Das betrifft in erster Linie die Erweiterung von Autobahnen um eine Fahrspur je Richtung – beispielsweise auf den Autobahnen 1, 3 und 4 rund um Köln, ebenso wie die A 59 und die A 57. Da gilt: Nach der Baustelle ist vor der Baustelle.

Schnelle Ausbauten sind indes nicht zu erwarten. Der Masterplan versammelt Vorhaben, die teilweise noch in einem frühen Planungsstadium stecken oder bei denen die Planung erst in Jahren beginnt. So werden sich die Planer beispielsweise dem Ausbau der A 3 zwischen Königsforst und Heumar nicht vor 2024 widmen. Die Bearbeitungszeiträume, mit denen das Land rechnet, reichen teilweise bis ins Jahr 2036 – und das selbst bei Vorhaben, die ganz oben auf der Dringlichkeitsliste stehen.

Der Verkehrsexperte Hans-Paul Kienzler vom Forschungsinstitut Prognos hält das Vorgehen der NRW-Regierung dennoch für sinnvoll: „Das Land konzentriert mit diesem Masterplan seine Kräfte. Dies ermöglicht dann auch die vorgesehene bessere Planung von Ausweichrouten bei Baustellen.“

Wüst weist daraufhin, dass nur mit besseren Planungsmöglichkeiten ein schnelleres Fortkommen möglich sei. Er hofft, dass auf Bundesebene die angestrebte große Koalition das Planungsrecht deutlich vereinfachen werde. Die bisherige schwarz-rote Regierung in Berlin habe dafür bereits entsprechende Vorschläge gemacht.

Land will Mittel für externe Planungsleistungen „deutlich erhöhen“

Das Land selbst will laut Haushaltsentwurf 50 neue Stellen für Planer beim Landesbetrieb Straßen NRW schaffen und dort jeden der rund 100 allein in diesem Jahr ausscheidenden Experten ersetzen. Wüst bezweifelt, ob das klappt. „Wer einen Bauingenieur kennt, bitte melden“, witzelt er beim Pressegespräch. Zudem will das Land die Mittel für externe Planungsleistungen „deutlich erhöhen“ und 13 neue Stellen bei den Bezirksregierungen schaffen. Schließlich werden Straßenbauprojekte nicht nur geplant, sie müssen auch genehmigt werden – eine weitere Stellschraube, über die die Verfahren schneller abgewickelt werden können. Oft müssen Planer neu ansetzen, weil sich im Laufe eines Projektes rechtliche Rahmenbedingungen ändern. Zum Beispiel beim Umweltrecht.

Von dem Masterplan verspricht sich Oliver Krauß, Alfterer CDU-Landtagsabgeordneter und Verkehrsexperte, ein landesweit besseres Projektmanagement. „Es werden Voraussetzungen für schnellere Ergebnisse geschaffen.“ Zustimmend äußern sich die Industrie- und Handelskammern (IHK) in NRW. Damit meinen sie auch die Prioritätensetzung, „auch wenn nicht alle Wunschprojekte in den Teilregionen NRWs gleichzeitig in Erfüllung gehen können“, so Joachim Brendel, zuständig für das Thema Verkehr bei der IHK. Es sei nachvollziehbar, da Schwerpunkte zu setzen, wo der Wirtschaftsverkehr mit Engpässen konfrontiert sei, sagt er. Ebenso wichtig sei es aber, die Regionen wachstumsstarker, mittelständischer Industrieunternehmen in NRW nicht zu vernachlässigen.

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