Steuern Erbschaftsteuerreform droht an Länderblockade zu scheitern

Berlin · Die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist für neue Steuerregeln für Firmenerben ist abgelaufen - doch die Neuregelung lässt weiter auf sich warten. Ob das Gesetz überhaupt noch kommt, ist fraglich.

 Formulare für die Erbschaftssteuererklärung: Die Reform ist noch nicht unter Dach und Fach.

Formulare für die Erbschaftssteuererklärung: Die Reform ist noch nicht unter Dach und Fach.

Foto: Jens Büttner/Archiv

Die vom Bundesverfassungsgericht bis Ende Juni angemahnte Reform der Erbschaftsteuer droht am Widerstand der Länder zu scheitern.

Die Finanzminister der Länder sprachen sich in Berlin auf Druck von SPD und Grünen mehrheitlich dafür aus, die umstrittenen Gesetzespläne der schwarz-roten Koalition zur steuerlichen Begünstigung von Firmenerben abzulehnen und den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anzurufen.

Die zehn Befürworter eines Vermittlungsverfahrens pochen auf "eine grundlegende Überarbeitung". Die fünf unionsgeführten Länder hätten trotz Kritik für eine Annahme der Gesetzespläne votiert, um für Rechtssicherheit zu sorgen, hieß es. Ein Land enthielt sich. Ob der Bundesrat der Ministerempfehlung folgt, wird sich am 8. Juli entscheiden. Sollte der Vermittlungsausschuss angerufen werden, verzögern sich die Gesetzespläne mindestens bis zum Herbst.

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor eineinhalb Jahren eine Reform bis Ende Juni angemahnt. Diese Frist ist in der Nacht zu Freitag abgelaufen. Union und SPD im Bundestag hatten sich auch wegen Forderungen der CSU nach weniger scharfen Regeln für Firmenerben praktisch erst in letzter Minute auf Details verständigt. Kritiker nennen die Steuerprivilegien als zu großzügig und verfassungswidrig.

Offen ist allerdings, ob Befürworter und Kritiker jeweils überhaupt die nötige Mehrheit in der Länderkammer zustande bringen. Darüber verfügen weder Union und SPD noch das andere Lager. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) nannte eine Konstellation - weder eine Länder-Mehrheit für den Gesetzentwurf noch für einen Vermittlungsausschuss - den "größten anzunehmenden Unfall". Es sei unwahrscheinlich, dass bei unklarer Mehrheit der Bundestag von sich aus den Vermittlungsausschuss anruft: "Dann begänne alles bei null."

Das Bundesverfassungsgericht käme in der Zwischenzeit in die Situation, über die Frage einer "Vollstreckungsanordnung" entscheiden zu müssen, sagte Schäfer. Als denkbar gelte, dass dann nicht die gesamte Erbschaftsteuer "für nicht mehr erhebungsfähig" erklärt werde, sondern dass nur die Verschonungsregeln für Firmenerben strittig gestellt werden. "Da entsteht ein solches Höchstmaß an Rechtsunsicherheit, das kann man eigentlich Betroffenen nicht zumuten", sagte Schäfer. Der Koalitionskompromiss sollte daher angenommen und gegebenenfalls später nachgebessert werden. Das sei besser, als zu riskieren, das Gesetzgebungsverfahren scheitern zu lassen: "Dann hätten am Ende alle nur mit Zitronen gehandelt."

Bisher müssen Unternehmensnachfolger generell kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigung halten. Die Verfassungsrichter hatten Ende 2014 eine Begünstigung für zulässig erklärt, aber strengere Vorgaben verlangt.

Nach den umstrittenen Koalitionsplänen sollen bei größeren Unternehmen Firmenerben nur verschont werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall greift eine Bedürfnisprüfung. Wer die ablehnt und den Fiskus nicht in sein Privatvermögen blicken lassen will, kann ein "Abschlagsmodell" nutzen: Mit wachsendem Vermögen wird ein größerer Teil versteuert. Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern sind vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit.

"Die Frage nach einer gerechten Lastenverteilung in Deutschland wird uns (...) mit Sicherheit noch einige Zeit beschäftigen", sagte der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). "Wir haben ein klares Signal des Bundesverfassungsgerichts, das die Privilegierung von Unternehmenserben im Zig-Millionen-Bereich gegenüber anderen Erben für zu hoch hält." Der Gesetzentwurf der Koalition verstärke diese Privilegierung noch.

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