EuGH-Urteil zu Kopftüchern Kopftuch-Urteil ist Herausforderung für deutsches Recht

Brüssel/Luxemburg · Der EU-Gerichtshof hat sein Urteil zum Kopftuch in Unternehmen getroffen. Die Entscheidung stellt auch deutsche Rechtsprechung vor Herausforderungen.

Religion ist Privatsache, das Tragen religiöser Symbole am Arbeitsplatz aber nicht: Mit seinem Urteil vom Dienstag hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg auch die deutsche Rechtsprechung vor neue Herausforderungen gestellt. Hierzulande gibt es beispielsweise beim Kopftuch einen Ermessensspielraum, gerade wenn es um die Sicherheit am Arbeitsplatz, die Einhaltung von Hygienevorschriften oder die Störung des Betriebsfriedens geht. Doch die Fälle der beiden Klägerinnen aus Belgien und Frankreich lagen anders – beide wurden entlassen, zumindest eine zu Recht.

Nach dreijähriger Tätigkeit als Rezeptionistin bei einem belgischen Sicherheitsunternehmen kündigte die Klägerin Samira Achbita ihrem Arbeitgeber an, künftig bei ihrer Arbeit ein Kopftuch tragen zu wollen. Dies widersprach einer internen Regelung, der zufolge es „den Arbeitnehmern verboten ist, am Arbeitsplatz sichtbare Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugung zu tragen und/oder jeden Ritus, der sich daraus ergibt, zum Ausdruck zu bringen.“

Für die Richter ist diese Verpflichtung, die sich neutral gegen Symbole jeder Religion richtet, entscheidend. Ein Unternehmen, so heißt es in einer Erklärung des Hofes zum Urteil, habe nämlich durchaus das Recht, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln. Da diese Vorschrift keinen Unterschied zwischen einem muslimischen Kopftuch, einer jüdischen Kippa oder einem Turban mache, sei die Anweisung nicht unmittelbar diskriminierend.

Asma Bougnaoui, die zweite Klägerin, war in einem französischen Softwarehaus tätig. Einer der Kunden hatte sich beschwert, weil er mit der Entwicklerin zusammenarbeiten sollte, die während ihrer Arbeit das Kopftuch trug. Die anschließende Entlassung der Arbeitnehmerin wies das Gericht jedoch zurück. Anders als im ersten Fall gab es in diesem Haus keine klare und vor allem neutrale Regelung, die das Zeigen oder Tragen religiöser Symbole untersagte. Für die Richter war dieser Punkt zentral: Ohne allgemeine Arbeitsvorschrift, die die Zeichen aller Religionen betreffen würde, führt eine Maßnahme gegen eine muslimische Frau mit Kopftuch zu einer mittelbaren Diskriminierung. Diese ist jedoch nicht von der einschlägigen EU-Richtlinie gedeckt.

Nicht jede Ungleichbehandlung ist Diskriminierung

Ausdrücklich lehnte der EuGH es ab, einzelne Mitarbeiterinnen aus der Firma zu werfen, nur weil ein Kunde das Kopftuch nicht akzeptieren wolle. Allerdings, so die Richter, müsse nicht jede Ungleichbehandlung auch diskriminierend sein. Schließlich könnten Arbeitgeber unter bestimmten Umständen auch Vorgaben zum Alter machen.

Dieses Grundsatzurteil reicht weit über die bisherigen Fälle hinaus, da es sich erstmals explizit auf die private Wirtschaft bezieht. Bei entsprechenden Klagen sind nun auch die deutschen Gerichte gehalten, sich an diese Auslegung des EuGH zu halten. (Aktenzeichen: EuGH Rechtssachen C-157/15 und C-188/15)

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