Kommentar zu den Folgen des Kohleausstiegs Keine Subventionitis

Meinung · Die Braunkohleregionen sollen nach dem Ende der Braunkohleförderung finanziell entschädigt werden. Dabei sollten Infrastrukturprojekte allerdings nicht blind geplant werden, meint GA-Autorin Birgit Marschall.

 Ein Mitarbeiter von RWE Power im Rheinischen Braunkohlerevier im Tagebau Garzweiler.

Ein Mitarbeiter von RWE Power im Rheinischen Braunkohlerevier im Tagebau Garzweiler.

Foto: dpa

Die vier Braunkohleregionen haben eine große Chance: Sie können erhebliche finanzielle und strukturpolitische Kompensationen erwarten, weil Deutschland aus Klimaschutzgründen die Kohleverstromung früher beenden muss als vorgesehen. Die betroffenen Landesregierungen werden nicht müde, auf den drohenden Vormarsch der AfD hinzuweisen, sollten die Kompensationen nicht hoch genug ausfallen. Auch Gewerkschaften und Energiekonzerne trommeln für hohe Entschädigungen. Im Mandat der schon jetzt stark unter Druck stehenden Kohlekommission spielt die Gestaltung des Strukturwandels eine herausragende Rolle, Klimaschutz- und Umweltziele wie etwa die Renaturierung der Flächen dagegen eine untergeordnete.

Der Kohleausstieg wird für Stromverbraucher und Steuerzahler also teuer werden. Diese Investition lohnt sich aber nur, wenn ein gesellschaftlicher Konsens über den Kohleausstieg wirklich gelingt. Die Kohleregionen müssen nachhaltige Zukunftsperspektiven erhalten. Und dass die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme in Ostdeutschland größer sind als im Westen, wird auch in NRW anerkannt.

Was allerdings nicht geht, ist, die Regionen um jeden Preis zu subventionieren oder blind neue Infrastrukturprojekte für sie zu planen, die Bürger vor Ort ebenfalls auf die Barrikaden bringen. Die Kohleregionen bei Infrastrukturentscheidungen grundsätzlich zu bevorzugen, kann im Einzelfall ökonomisch unsinnig sein, wenn Verkehrswege woanders dringender gebraucht werden. Von leeren Autobahnen hat die Nation nichts.

Bei Menschen vor Ort ansetzen

Auch Autobahnprojekte in Nordrhein-Westfalen, die seit Jahrzehnten nicht realisiert werden, sind nicht plötzlich beliebter geworden, weil sie als Kompensation für den Kohleausstieg schneller gebaut werden könnten. Die Idee, eine Olympiade nach NRW zu bringen, dürfte der vom Kohleausstieg betroffenen Bevölkerung ebenfalls keine Hilfe sein. Interessant wäre der Aufbau einer Batteriezellproduktion in Deutschland, wie sie der Bundeswirtschaftsminister gerne hätte. Doch auch dieses industriepolitische Großprojekt hat im Grunde mit dem Kohleausstieg nichts zu tun.

Klüger wäre, konkret bei den Menschen vor Ort anzusetzen. Was brauchen die Kohlekumpel und ihre Familien, was brauchen Anwohner, Dienstleister und Zulieferer an persönlicher Unterstützung? Hier wird der Fokus eher auf besserer Bildung und Weiterbildung liegen müssen als auf Subventionen für Unternehmen und hohe Entschädigungen für die Energiekonzerne. Zwei Drittel der betroffenen RWE-Mitarbeiter werden laut einer Studie in den kommenden Jahren ohnehin in Rente gehen. Mehr Probleme kommen auf die vielen Zulieferer und Dienstleister in den Regionen zu. Deren Mitarbeiter verdienen auch häufig deutlich weniger als RWE-Angestellte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort