Große Koalition Katerstimmung in der SPD

Berlin · In der SPD wachsen die Zweifel, ob der gescheiterte Vorsitzende Martin Schulz bei den anstehenden Regionalkonferenzen tatsächlich noch eine Hilfe ist, um bei den Mitgliedern für ein Ja zum Koalitionsvertrag zu werben.

Wie soll das gehen? Martin Schulz hat drei Landtagswahlen verloren, er hat die Bundestagswahl grandios verloren, er hat den Parteivorsitz auf- und abgegeben und er hat den Verzicht auf seinen Wunschposten des Außenministers erklären müssen. Und nun soll Schulz tatsächlich an vorderster Front dabei sein, wenn die Sozialdemokraten ab Samstag ausschwärmen, um bei sieben Regionalkonferenzen im gesamten Bundesgebiet für den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zu werben? „Nach derzeitigem Stand Ja“, heißt es im Willy-Brandt-Haus auf die Frage, ob Schulz bei der GroKo-Werbetour, die an diesem Samstag in Hamburg beginnt, einen Tag später in Kamen und Mainz Station macht, wirklich mit auf der Bühne steht.

Dieser Koalitionsvertrag hat drei Leitsätze. Einer davon lautet: „Eine neue Dynamik für Deutschland“. Zwar haben Schulz und Andrea Nahles nach ihrer Vier-Augen-Verabredung in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass sie nun gemeinsam draußen an die SPD-Basis gehen wollen, um für den Koalitionsvertrag Stimmung zu machen. Doch mehrere Genossen vermieden am Montag eine Aussage, ob Schulz tatsächlich noch dabei sein werde. Dazu solle besser die Sitzung des SPD-Präsidiums diesen Dienstag abgewartet werden. Wer weiß, was da noch kommt?

Schulz hat am vergangenen Donnerstag im Gespräch mit der „Bild am Sonntag“ noch einen schönen Satz gesagt: „Wir sind kein Nonnenkloster, aber wie die Union miteinander umgeht, da kann schon Mitleid bekommen.“ Einen Tag später muss sich Schulz in der „Schlangengrube“ SPD, wie Schulz' Schwester Doris Harst es beschreibt, vom Anspruch auf das Außenamt verabschieden.

Fest steht: Dieser Wahlkampf hat Kraft gekostet. Der Weg in eine nächste GroKo war und bleibt mit etlichen Stolpersteinen gepflastert. Und Schulz dürfte nach all den Niederlagen und Tiefschlägen kaum mehr die Kraft und den Willen haben, mit voller Überzeugung für den Koalitionsvertrag zu werben. Er hat ihn entscheidend ausverhandelt, mit Außenamt, Finanzen sowie Arbeit und Soziales gleich drei Schlüsselressorts für die SPD geholt – das ist sehr viel für ein Wahlergebnis von 20,5 Prozent. Doch ist Schulz bei der SPD-Roadshow der nächsten Tage wirklich noch eine Hilfe? Oder ist er längst mehr Last? Vor allem: Was wäre Schulz' Motivation, um mit voller Überzeugung und entsprechender eigener Perspektive für diesen Koalitionsvertrag zu werben?

Der Machtkampf hinterlässt Spuren. Schulz ist für drei Tage abgetaucht. Erst sollte Schulz bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende reden, wie es hieß, sogar auf dem sehr prominente Redeplatz von Außenminister Sigmar Gabriel am Samstagvormittag, der zunächst seinen zugesagten Auftritt zurückgezogen hatte. Doch dann zog auch Schulz zurück, ehe Gabriel einen Tag später doch wieder sein Kommen in München ankündigen ließ. Inzwischen hat Schulz auch seinen Auftritt beim Politischen Aschermittwoch in Ludwigsburg absagen lassen. Statt Schulz soll nun SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dort die Attacke gegen die politischen Gegner führen.

Es soll jetzt alles sehr schnell gehen. Geplant ist, Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles schon an diesem Dienstag zur kommissarischen Parteichefin zu machen. Danach müsste die SPD-Spitze wieder einen Parteitag einberufen, auf dem Nahles dann offiziell zur nächsten SPD-Vorsitzenden gewählt werden könnte. Sie wäre dann die erste Frau in diesem Amt überhaupt. SPD-Vize Ralf Stegner mahnte: „Wichtig scheint mir, dass wir diese Gelegenheit als letzte Warnung verstehen, dass es nicht um Personaldebatten und Einzelinteressen geht, dass die Disziplinlosigkeiten aufhören müssen“, sagt Stegner nach dem Verzicht von Martin Schulz auf das Außenamt. Auch SPD-Vize Malu Dreyer forderte ein Ende der Personaldebatten. „Es ist doch ein Irrsinn zu glauben, bei Ministerien ginge es nur um Posten.“ Sie wünsche sich deshalb, dass in der SPD jetzt über Inhalte und Strategien und weniger über Personen gesprochen werde.

Vor dem Hintergrund der harten Auseinandersetzung in der SPD fordern mehrere Vertreter der Partei-Linken weiter eine Urwahl eines neuen Parteichefs oder einer neuen Parteichefin. Am 4. März jedenfalls soll zumindest ein Ergebnis stehen: das Votum der SPD-Mitglieder zur GroKo.

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