Wahlkampf in Rheinland-Pfalz Julia Klöckner verteidigt ihre Vorschläge in der Flüchtlingspolitik

Lahnstein · Nein, Julia Klöckner will kein Wahlprogramm vorstellen. Das ist der rheinland-pfälzischen CDU-Spitzenkandidatin eine Nummer zu klein.

Dem 93-Seiten-Papier, das sie ihren Parteifreunden an diesem Samstagmorgen bei einem kleinen Parteitag in Lahnstein vorstellt, hat sie stattdessen den Titel „Regierungsprogramm der CDU Rheinland-Pfalz 2016 - 2021“ gegeben. Und warum? „Weil wir mit diesem Programm einen Anspruch formulieren und weil wir uns alle bewusst sein müssen, dass wir beim Wort genommen werden“, sagt sie gleich in der ersten von 71 Redeminuten.

Der Anspruch, nach der Landtagswahl in sechs Wochen in die Mainzer Staatskanzlei einzuziehen, ist verständlich. Schließlich liegt die CDU in Umfragen sechs bis sieben Punkte vor der SPD. Der Vorsprung ist zwar seit dem Sommer geschmolzen, doch viele in der Union glauben, dass die Weigerung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, an der Elefantenrunde teilzunehmen, wenn der Spitzenkandidat der AfD am Tisch sitzt, die SPD-Werte sinken lassen wird.

Klöckner selbst wirft Dreyer in Lahnstein vor, eine unangenehme Debatte zu scheuen. „Es hilft nix, wenn ich vor den eigenen Leuten die Monstranz hervorhole 'Aufstehen und Gesicht zeigen gegen Rechts', und wenn es darauf ankommt, sitzen bleibe, weil ich Angst habe, dass ich mit meinen Argumenten nicht durchkomme“, sagt sie unter dem großen Beifall der rund 200 Parteifreunde.

Sie kommt auf ihren „Plan A2“ zu sprechen, der ein zweiter Teil des „Plan A“ sei. Mancher Delegierter schaut, als wisse er nicht so recht, was sie damit meine. Klöckner nennt all das, was die Bundeskanzlerin in Europa und darüber hinaus zur Beilegung der Flüchtlingskrise unternimmt, „Plan A“.

Natürlich hat sie in der vergangenen Woche die massiven Bedenken gegen ihre Vorschläge, Grenzzentren für Flüchtlinge einzurichten, Menschen ohne Bleibeperspektive direkt wieder zurückzuschicken und flexible Kontingente einzuführen, wahrgenommen. Ihren Kritikern ruft sie entgegen: „Es ist nicht unanständig, Vorschläge zu machen.“ Es gehe ihr darum, dass Kreise und Städte „Luft bekommen, damit die Stimmung vor Ort nicht kippt“.

Und als wolle sie jedem, der ihre Loyalität gegenüber der Kanzlerin in Zweifel gestellt hat, das Gegenteil beweisen, sagt sie: „Wir unterstützen Angela Merkel. Wir stehen an der Seite unserer Bundeskanzlerin, weil Angela Merkel bis an die Grenze des körperlich Leistbaren als einzige in der Welt unterwegs ist, um die Verhandlungen zu führen, die wir brauchen, um langfristig europäische, bilaterale und weltweite Lösungen hinzubekommen.“

Doch Klöckner und ihre CDU wollen 43 Tage vor der Landtagswahl eben nicht nur das große Thema Flüchtlinge in den Mittelpunkt stellen. Schließlich umfasst ihr „Regierungsprogramm“ insgesamt 212 Punkte. Das reicht von der Ankündigung, eine CDU-geführte Landesregierung werde mehr Polizisten – und zugleich mehr Ausbilder für die Polizei – einstellen, über die Zusicherung an die Kommunen, dass diese mehr Geld erhalten, bis hin zu dem Versprechen, es werde ein Landesfamiliengeld eingeführt.

Das solle „in der Nachfolge des Betreuungsgeldes“ stehen und den Familien „wieder Wahlfreiheit zurückgeben“. Letzteres sei keine gute Idee, findet die SPD. Sie äußert in einer Pressemitteilung zudem Zweifel an der Finanzierbarkeit und spricht von einem „Wahlversprechen für die konservative Klientel“. Ungerecht nennt die führende Regierungspartei auch die Ankündigung der CDU, Kita-Gebühren einzuführen.

Doch nicht für alle, stellt die Union klar. „Kinderreiche und Geringverdiener bleiben beitragsfrei“, heißt es im Programm. Und weiter: Nicht höher als 30 Euro pro Monat sollen die Beiträge sein, die „zu 100 Prozent in die Verbesserung der Betreuungssituation fließen müssen“.

Ohnehin nimmt die Bildungspolitik einen breiten Raum im Programm der CDU ein: So soll etwa das Prinzip „Schreiben nach Gehör“ in den Grundschulen abgeschafft werden, die Zeugnisse ab Klasse drei sollen wieder Ziffernnoten enthalten, und für die Lehrer soll ein „leistungsabhängiges Zulagensystem“ geschaffen werden.

Außerdem will die CDU damit Schluss machen, dass Lehrer pünktlich mit den Sommerferien arbeitslos werden und um ihre Wiedereinstellung im neuen Schuljahr bangen müssen. Nach der Beratung von 80 Änderungsanträgen, die ohne größere Diskussionen über die Bühne gingen, beschlossen die Delegierten das Programm einstimmig.

Mit wem die Partei das alles umsetzen will, dazu sagt die Spitzenkandidaten an diesem Tag nichts. Mit dem Wunschpartner FDP dürfte es rein zahlenmäßig nicht reichen. Eine große Koalition? Oder ein Dreierbündnis mit FDP und Grünen? Für Klöckner keine Frage, deren Beantwortung jetzt anstehe. Das sei „respektlos gegenüber dem Wähler“, meint sie. Es soll allerdings auch Wähler geben, die vor der Wahl gern wüssten, mit welchem Partner es nach der Wahl weitergehen soll.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vielfältiges Fehlerbild
Kommentar zum Flut-Untersuchungsausschuss Vielfältiges Fehlerbild
Aus dem Ressort