Migration Integration im Land des rauen Klimas

Berlin · Gut jeder Fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund - doch leicht wird es Einwanderern und Kindern ausländischer Eltern nach wie vor nicht gemacht.

 Chancengleichheit fängt bei der Bildung an. "Allein der Name kann schon dazu führen, dass Du nicht die gleichen Chancen hast,“ sagt Aydan Özoguz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge.

Chancengleichheit fängt bei der Bildung an. "Allein der Name kann schon dazu führen, dass Du nicht die gleichen Chancen hast,“ sagt Aydan Özoguz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge.

Foto: picture alliance / dpa

In diesen „postfaktischen“ Zeiten, in denen Gefühl viel und Tatsachen angeblich wenig zählen, liest Aydan Özoguz allerlei abstruse Dinge über ihre Person und ihre Politik im weiten Netz der selbstgezimmerten Wahrheiten. Zum Beispiel diese: Özoguz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, fordere jede deutsche Frau auf, eine Burka zu tragen.

Die SPD-Politikerin, in Hamburg geborenes drittes Kind türkischer Kaufleute, betont denn auch bei der Vorlage ihres Berichts über „Teilhabe, Chancengleichheit und Rechtsentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft: „Ich muss selbst jeden Tag damit kämpfen, was über mich im Internet verbreitet wird.“

Die Diskrepanz zwischen Gefühl und Fakten habe längst viele Lebensbereiche erreicht. „Es gibt Unterschiede zwischen der gefühlten Kriminalität und der tatsächlichen Kriminalität.“ Özoguz ist dem Bundeskriminalamt deshalb „wirklich dankbar“, dass es die polizeiliche Kriminalstatistik auch nach der Kriminalität von Flüchtlingen untersucht habe. Und siehe da, „unter syrischen Flüchtlingen gibt es so gut wie keine Kriminalität“, sagt die Flüchtlingsbeauftragte. Denn es gebe einfach „Unterschiede zwischen den Gruppen“ der Migranten und Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen seien, auch bei der Kriminalität.

Raues, angespanntes Klima

Insgesamt stellt Özoguz fest, „dass das Klima in unserer Gesellschaft inzwischen rauer geworden ist“, die Atmosphäre sei angespannt“. So glaubten viele Menschen, dass nur wegen der Flüchtlinge in den Kommunen weniger investiert worden sei, „was absolut nicht der Fall ist“. Diese Annahme habe eine rauere Stimmung gegen Flüchtlinge geschaffen. „Eine bestimmte Partei erhofft sich daraus politisches Kapital“, sagt die SPD-Politikerin in Anspielung auf die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD).

Özoguz listet in dem Bericht, der die Entwicklung der Einwanderungsgesellschaft zwischen Sommer 2014 und Sommer 2016 zusammenfasst, unter anderem auf, dass das Armutsrisiko von Menschen mit Migrationshintergrund „seit Jahren unverändert hoch“ sei. Im vergangenen Jahr habe es bei 27,7 Prozent gelegen, dies sei doppelt so hoch wie bei Personen ohne Migrationshintergrund (12,5 Prozent).

Und auch wenn die Zahl der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund von 7,54 Millionen auf 7,72 Millionen gestiegen sei, müsse sie feststellen: „Die Arbeitslosenquote von Ausländern ist inzwischen fast dreimal so hoch wie von Deutschen.“ Ein nicht-deutscher Name sei häufig Hürde für eine Anstellung: „Allein der Name kann schon dazu führen, dass Du nicht die gleichen Chancen hast.“

Özoguz kritisiert Optionspflicht

Insgesamt haben 17,1 Millionen Menschen in Deutschland (21 Prozent) einen Migrationshintergrund, somit gut jeder Fünfte. Größte Gruppe seien Türken gefolgt von Polen und Russen. Özoguz betont, dass die große Zahl der Menschen, die nach Deutschland komme, EU-Ausländer seien. Auch 2015, als insgesamt 2,137 Millionen Menschen zugewandert seien, habe die Quote der EU-Ausländer 45 Prozent betragen.

Özoguz kritisierte erneut den Beschluss des CDU-Parteitags zur Wiedereinführung der Optionspflicht bei der Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Die CDU müsse selbst wissen, womit sie Wahlkampf mache. „In meinen Augen geht das gegen den Nachwuchs in Deutschland“, sagte Özoguz und betonte, die SPD werde eine Rückkehr zur Optionspflicht nicht mitmachen.

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