Kommentar zu den Wahlchancen der Grünen In der Abwärtsspirale

Meinung | Berlin · Über Monate lag die Partei in Umfragen stabil bei Zustimmungswerten zwischen zehn und zwölf Prozent. Doch seit die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz in ungeahnte Höhen entschwebt ist, schwinden die Wahlchancen der Grünen.

 Die Spitzenkandidaten der Grünen für den Wahlkampf: Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir.

Die Spitzenkandidaten der Grünen für den Wahlkampf: Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir.

Foto: dpa

Martin Schulz schrumpft auch die Grünen. Über Monate lag die Partei mit der stilisierten Sonnenblume im Emblem in Umfragen stabil bei Zustimmungswerten zwischen zehn und zwölf Prozent. Doch seit die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten, den ein Sonderparteitag im März erst noch offiziell bestätigen muss, in ungeahnte Höhen entschwebt ist, schwinden die Wahlchancen der Grünen.

Schulz wirkt auch bei ihnen, und zwar negativ. In einem Bundestags-Wahlkampf, in den erstmals keine der etablierten Parteien mit einer Koalitionsaussage gehen wird, folgen die Grünen schon länger der Devise, selbst ein möglichst starkes grünes Ergebnis zu schaffen – und dann mal sehen.

Ihr Verhältnis zur SPD ist 2005 mit dem Ende der ersten rot-grünen Koalition im Bund deutlich abgekühlt. Die Linke wiederum sehen viele Grüne, vor allem die ehemals bürgerrechtsbewegten in Ostdeutschland, weiter kritisch. Eine Annäherung an die Unionsparteien im Bund reichte nach der Bundestagswahl 2013 gerade mal für Sondierungsgespräche. Danach mussten beide Seiten feststellen: Die inhaltlich und programmatische Lücke zwischen CDU, CSU und den Grünen ist zu groß, als dass ernsthaft über eine schwarz-grüne Koalition hätte verhandelt werden können.

Jetzt also wollten sich die Grünen, die mittlerweile in elf Bundesländern (mit-)regieren, alle Optionen offenlassen. Doch je stärker die SPD durch den Zuspruch für ihren Kanzlerkandidaten Schulz wird, desto kleiner werden die Möglichkeiten der Grünen im Bund. Die beinahe schon chronische Schwäche der SPD hatte zwar vor allem mit den Sozialdemokraten selbst zu tun, aber seit Schulz seine Partei wachgeküsst hat, zieht bei der Sozialdemokratie auch wieder das alte Thema: soziale Gerechtigkeit.

Genau jene Aufbruchstimmung, die Schulz in der SPD ausgelöst und die die Partei – man glaubt es kaum – in einer Momentaufnahme sogar vor CDU/CSU gebracht hat, fehlt bei den Grünen. Die Partei, die für sich getrost in Anspruch nehmen darf, Atomausstieg und Energiewende in Deutschland entscheidend eingeleitet zu haben, wird sich im Wahlkampf denn auch wieder auf ihre politische DNA konzentrieren: Umwelt, Naturschutz, vermutlich auch ökologische Modernisierung der Wirtschaft.

Wenn den Grünen dafür jemand das Etikett einer Öko-FDP anklebt, sei es drum. Die Grünen erklären schon länger selbstbewusst, sie seien nicht Teil eines Lagers. Womöglich würden die Delegierten eines Parteitages, wenn sie denn die Wahl hätten, immer noch stärker zu Rot-Grün als zu Schwarz-Grün tendieren. Die Spitzenkandidaten für den Wahlkampf, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, müssen sich jedenfalls etwas einfallen lassen, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Denn die Zeiten, da die Grünen Anti-Parteien-Partei waren und lieber opponierten als regierten, sind lange vorbei.

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