Münchener Sicherheitskonferenz Hoch dosierte Beruhigungspille

MÜNCHEN · Bei der Münchener Sicherheitskonferenz bekennt US-Vizepräsident Michael Pence im Namen von Donald Trump die Treue der USA zur Nato. Das sind beruhigende Worte in den Ohren der europäischen Verbündeten.

 Überbringer einer guten Nachricht: Der US-Vizepräsident Michael Pence bekräftigte bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Treue der USA zur Nato. Kanzlerin Merkel hörte es gern.

Überbringer einer guten Nachricht: Der US-Vizepräsident Michael Pence bekräftigte bei der Münchner Sicherheitskonferenz die Treue der USA zur Nato. Kanzlerin Merkel hörte es gern.

Foto: AP

Der Mann aus Indiana steht noch keine zwei Minuten auf der Bühne, da liefert er schon, was die meisten im Saal hören wollen: einen Treueschwur. Wohl gemerkt: Michael Richard Pence, genannt Mike, ist nur der Überbringer der guten Nachricht. Tatsächlich sitzt der Absender noch eine Etage höher. Der US-„Vize“ übermittelt die Botschaft ausdrücklich „im Namen von Präsident Trump: Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen fest zur Nato und werden unerschütterlich unsere Verpflichtungen für unsere transatlantische Allianz erfüllen“. Ist da ein kollektives Aufatmen im Saal an Tag zwei dieser 53. Münchner Sicherheitskonferenz zu vernehmen?

Pence könnte jetzt eigentlich auch wieder abtreten. Europa könnte sich beruhigt zurücklehnen: Alles wieder gut mit dem großen Bruder aus Übersee. Doch der 57 Jahre alte ehemalige Gouverneur von Indiana hat noch ein paar Botschaften mehr dabei, angereichert mit einigem amerikanischen Pathos. Ein „Bild in meinem Herzen“ lasse ihn nicht los. Es ist eine Mauer aus Blumen, wie es der Republikaner ausdrückt, drei Meter hoch, aufgetürmt vor der US-Botschaft in Berlin, etwa zwei Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Pence war damals auf Deutschland-Besuch. Das erste Mal überhaupt in der Geschichte sei damals der Bündnisfall nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrages festgestellt worden: einer für alle, alle für einen. „Das amerikanische Volk wird ihnen das nie vergessen.“

Pence gibt Zucker: Europa habe den Beistandspakt der Nato im Kampf gegen den Terror erfüllt. Und jetzt will der Republikaner diese Bündnistreue erwidern. „Wir werden weiter Treue beweisen. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit und wir werden eine gemeinsame Zukunft haben.“ Pence hätte die Treue der Führungsmacht USA zur Nato auch an einem Sonntag nicht schöner formulieren können. Okay, der Terminkalender verzeichnet für seinen Auftritt vor der Münchner Sicherheitskonferenz einen Samstag. Doch das Bekenntnis zu Artikel fünf fällt in einer Art aus, als hätte es Äußerungen von Präsident Trump, wonach die Nato „obsolet“ und „überholt“ sei, nie gegeben. Die Europäer im Saal sollen dann noch wissen: „Die USA werden immer und in Zukunft ihr bester Verbündeter bleiben.“

Das mit Artikel fünf wäre also geklärt – unter Bündnispartnern. Doch der US-Vizepräsident hat sicherheitshalber noch einmal im Nato-Vertrag nachgeblättert. Und siehe da, Artikel drei schreibe doch in aller Deutlichkeit fest, dass alle ihren Anteil zur gemeinsamen Sicherheit betragen müssten. Aber: „Lastenteilung funktioniert nicht. Dadurch erodiert das Fundament unseres Bündnisses.“ Die Zusage der 28 Nato-Partner, bis 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, stehe in den meisten Fällen noch aus. Pence unmissverständlich: „Wir wollen Sie bitten, dass Sie auf dem Weg zur Erfüllung dieses Zieles sind.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit der Pence gleich noch in einem Nebenzimmer des Konferenzhotels für 45 Minuten über Syrien, Libyen, Afghanistan und die Ukraine sprechen wird, will erst gar keine „kleinliche Diskussion“ aufkommen lassen, „wer nun militärischer ist und wer nicht militärischer ist“. Deutschland habe im Vergleich zum vergangenen Jahr seinen Verteidigungsetat um acht Prozent erhöht. Mehr sei nicht zu leisten.

Zudem gehe es auf dem Weg hin zum Zwei-Prozent-Ziel nicht nur um nackte Zahlen. „Denn wir brauchen ja Fähigkeiten.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird Merkel später beispringen. Selbstredend wissen Pence, Merkel und Stoltenberg, dass neben den USA nur noch vier weitere Nato-Partner bislang das Zwei-Prozent-Ziel erreicht haben. Es gehe „nicht nur darum, mehr auszugeben, sondern auch darum, besser auszugeben“, so Stoltenberg. Die Europäer im Bündnis müssten „koordinierter und effizienter“ werden, mahnt der Norweger. Die USA hätten einen Kampfpanzertyp, Europa davon fünf. Die USA hätten einen Schützenpanzertyp, Europa fahre davon gleich 14 verschiedene Typen auf.

Merkel wiederum sieht die Verantwortung für Europa in einer veränderten Weltordnung wachsen. Man befinde sich in einem Jahr, in dem alle spürten, „dass etwas auf dem Spiel steht“. Der deutsche Ansatz dabei: weiter multilateral. Europa müsse mehr Jobs, mehr Wettbewerb schaffen, die gemeinsame Währung stärken und, ja, mehr für Verteidigung ausgeben. In dieser veränderten Welt sei unter anderem „das Verhältnis zu Russland noch nicht nachhaltig gut“. Russland sei aber auch Nachbar der EU.

Merkel möchte die Nato-Russland-Akte gemeinsamer strategischer Partnerschaft nicht aufgeben. Aber das Abkommen von Minsk aus dem Februar 2015, mit dem sich die Konfliktparteien unter anderem zum Abzug schwerer Waffen verpflichten, sei immer noch nicht in allen Punkten umgesetzt. „Das Minsker Abkommen ist das einzige, das wir haben“, so die Kanzlerin pragmatisch.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte tags zuvor in München noch gewarnt: „Man kann nicht ohne die Ukraine über die Ukraine entscheiden.“ US-Vizepräsident Pence schickt gleichfalls eine unmissverständliche Botschaft nach Moskau. Man werde Russland zur Rechenschaft ziehen und auffordern, sich an die Verpflichtungen des Abkommens von Minsk zu halten. Der russische Altmeister der Außenpolitik, Sergej Lawrow, schimpft zwar, dass die Nato eine „Institution des Kalten Krieges“ sei, aber bitte, es sei doch im gemeinsamen Interesse, die amerikanisch-russischen Beziehungen zu stärken.

Merkel muss dann – gedanklich – noch zu einem Einkaufsbummel auf die Fifth Avenue in New York ausrücken. Teure Läden, viele deutsche Autos. Ob es die Trump-Regierung mit ihrem „Amerika zuerst“ verärgere, wenn wegen des deutschen Handelsbilanzüberschusses gefühlt jeder Zweite auf der renommierten Einkaufsmeile einen Mercedes vor der Tür habe, wird sie aus dem Publikum gefragt. Die Kanzlerin ist da wieder ganz Merkel: Ach, es seien so viele iPhones und Apple-Produkte im Saal, da könne der US-Präsident „absolut zufrieden“ sein. Die Fifth Avenue ist aus Merkels Sicht „immer noch minder bestückt mit deutschen Autos“. Aber wenigstens in diesem Segment dürfte Deutschland die Zwei-Prozent-Quote schon erfüllt haben.

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