FDP-Wahlniederlage Historischer Rauswurf für die FDP

Berlin · Am Ende hing die FDP nur noch am Tropf der Union. Das Betteln um Zweitstimmen zog aber nicht. Die Partei ist aller Voraussicht nach erstmals nicht mehr im Bundestag - eine historische Demütigung. Spitzenkandidat Brüderle und Rösler übernehmen die Verantwortung.

Als ob irgendjemand in der FDP schon selbst Zweifel am Slogan gehabt hätte: Nicht weniger als zwölf Mal prangte der Wahlkampfspruch "Nur mit uns" auf der Bühne des Congress Centers am Alexanderplatz, wo die Freidemokraten am Sonntagabend feiern wollten. Aber die Wähler sahen das mehrheitlich anders - im Sinne von "Nicht mit denen". Der Wahlabend wurde für die einst so stolze Partei zur historischen Blamage.

Bei den ersten TV-Prognosen, wo die FDP nur noch auf 4,5 beziehungsweise 4,7 Prozent kam, gab es im Saal nur ein leises, langgezogenes "Oooh" - wie bei einem Schlag in die Magengrube. Zur Grabesstimmung passte, dass der Ton der TV-Übertragung abgeschaltet blieb. Die FDP-Spitze um Parteichef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle verfolgte die Schockzahlen, die sich in den Hochrechnungen bestätigten, in einem Raum im Untergeschoss.

Gegen 18.45 Uhr kamen beide ans Rednerpult. "Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung", sagte Fraktionschef Brüderle, der lang anhaltenden Applaus bekam. Hinter ihm auf der Bühne standen viele Minister, Rösler mit seiner Frau Wiebke. Der Vizekanzler sagte: "Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei." Brüderle und Rösler werden beim Neuaufbau der FDP keine Rolle mehr spielen.

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Mit diesen Zahlen wären die Liberalen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik nicht mehr im Bundestag. Dass eine Regierungspartei direkt aus dem Parlament fliegt, gab es nur einmal, vor über 50 Jahren. Noch größer wäre die FDP-Schmach, wenn ausgerechnet die Anti-Euro-Partei AfD die liberale Europapartei ersetzen würde, wonach es aber nicht aussah.

[kein Linktext vorhanden]Wie konnte es soweit kommen mit der Partei von Theodor Heuss, Thomas Dehler, Walter Scheel, Karl-Hermann Flach und Hans-Dietrich Genscher? Es dürfte an einer Mischung aus Selbstüberschätzung, fehlender Courage und Panik gelegen haben. Letztere griff nach dem 3,3-Prozent-Desaster in Bayern um sich. "Jetzt geht's ums Ganze", klebte die FDP danach auf ihre Plakate. Die alte Masche eben, jahrzehntelang erfolgreich. Mehr kam aber nicht.

Brüderle und Rösler bettelten um Zweitstimmen von Unionswählern. Dabei hatte der FDP-Chef vor zwei Jahren bei seinem Amtsantritt noch geschworen, seine Partei wolle sich nie wieder zum Stimmvieh erniedrigen. Die Zweitstimmen-Kampagne verpuffte, auch weil die Union gnadenlos dagegen hielt. Die FDP dachte, ein "Angst-Wahlkampf" gegen rot-grüne Steuererhöhungen und die fleischlosen Kantinentage der Grünen reiche locker für ein gutes Ergebnis.

Wo waren leidenschaftliche Appelle der Bürgerrechtspartei FDP in der NSA-Geheimdienstaffäre, wo war der Verweis auf ihre moderne Gesellschaftspolitik bei Homo-Ehen im eigenen Programm? Am frühen Abend wollten aber noch nicht alle Liberalen die Hoffnung fahren lassen. Vielleicht würden ja noch Briefwählerstimmen die Partei auf 5,0 Prozent hieven. Dann würde es womöglich sogar für Schwarz-Gelb mit einer bärenstarken Union reichen. Doch die Chancen sanken von Hochrechnung zu Hochrechnung.

Ist die FDP draußen, dürfte Brüderles politische Karriere mit 68 Jahren zu Ende sein. Auch Rösler, der zumindest bis 45 in der Politik bleiben wollte, wäre wohl mit 40 ebenfalls am Ende. Wie ginge es dann weiter? Der Verlust einer finanziell gut ausgestatteten Bundestagsfraktion trifft die klamme Partei hart. Die Landesverbände müssen nun dafür sorgen, dass die FDP nicht völlig von der politischen Bildfläche verschwindet. Weil sie auch in Hessen laut Prognosen an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern drohte, wäre sie nur noch in der Hälfte der 16 Landtage.

Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf Christian Lindner. Der 34-jährige Ex-Generalsekretär brachte im Vorjahr die FDP bei der NRW-Wahl von 2 Prozent in den Umfragen mit 8,6 Prozent in den Landtag. In Düsseldorf dürfte künftig das neue Zentrum einer FDP in der außerparlamentarischen Opposition liegen.

Lindner zeigte sich am Abend als erster der FDP-Promis: "Wir haben offensichtlich die Erwartungen nicht erfüllt. Auch im Stil hat die FDP nicht überzeugt." Die Partei müsse sich jetzt grundsätzliche Gedanken machen. "Die Situation ist sehr ernst. Deutschland braucht eine liberale Partei, wie sie die FDP traditionell einmal war." Eine schwere Aufgabe wartet auf Lindner.

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