Kommentar zum Weltklimabericht Höchste Zeit

Meinung | Bonn · Am Donnerstag veröffentlicht der Weltklimarat IPCC einen Sonderbericht. Die Botschaft ist klar: Die Welt lebt über ihre Verhältnisse. Und wenn sich nichts ändert, drohen verheerende Folgen, kommentiert Lutz Warkalla.

 Alleebäume bilden den einzigen grünen Farbtupfer zwischen trockenen, abgeernteten Feldern in Sachsen.

Alleebäume bilden den einzigen grünen Farbtupfer zwischen trockenen, abgeernteten Feldern in Sachsen.

Foto: Jan Woitas

Früher haben wir uns gefreut, wenn wir von einem Jahrhundertsommer sprechen konnten: lange Nächte im Biergarten, Schwimmbad oder Badesee als zweites Zuhause. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Dass die Monate Juni und Juli weltweit die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1880 waren, löst bei vielen Menschen Sorge aus. Mit Recht, wie der am Donnerstag veröffentlichte Bericht des Weltklimarates IPCC zeigt. Dessen Botschaft ist klar: Der Klimawandel ist auch bei uns längst angekommen – und unsere derzeitige Lebensweise, vor allem die Art, wie wir Nahrungsmittel produzieren und das Land nutzen, verschärft ihn noch. Mit anderen Worten: Die Welt lebt über ihre Verhältnisse. Und wenn sich nichts ändert, drohen verheerende Folgen.

Vielleicht ist es die Komplexität der Zusammenhänge, die viele Menschen, vermutlich auch Politiker, bisher dazu verführt hat, lieber den Kopf in den Sand zu stecken, anstatt der Realität ins Auge zu sehen. Doch das funktioniert nicht mehr. Schon jetzt leiden 800 Millionen Menschen in der Welt an Nahrungsmittelknappheit, künftig, so warnt der Weltklimarat, werde die Stabilität des Nahrungsmittelangebots wegen der zunehmenden Extremwetter voraussichtlich sinken. Und zugleich stellt er fest, dass nicht nur fossile Energien zu den Treibern des Klimawandels gehören, sondern mit knapp einem Viertel der vom Menschen verursachten Treibhausgase die Land- und Forstwirtschaft.

Die Konsequenz müsste also lauten: Ändert die Art und Weise der Nahrungsmittelproduktion, stoppt die Zerstörung von Land und Wäldern, bevor es zu spät ist. Es ist kein Naturgesetz, dass nur eine Landwirtschaft, die gegen die Natur arbeitet statt mit ihr, die Welt mit Nahrungsmitteln versorgen kann. Und es wird höchste Zeit, dass die Politik den Mut hat, den Menschen die unerfreuliche Botschaft zu überbringen: Die schönen Jahre sind vorbei.

Der Kampf gegen den Klimawandel lässt sich nicht allein mit LED-Birnen, Wärmedämmung und E-Rollern führen, sondern nur mit einer fundamentalen Änderung unserer Lebensweise, mit dem Abschied von vielen liebgewonnenen Gewohnheiten. Das beginnt beim Fleischkonsum, führt über angemessene Lebensmittelpreise bis zur Art, wie wir Urlaub machen oder zu einem völlig neuen Verkehrskonzept, in dem das eigene Auto möglicherweise nur noch eine Nischenrolle spielt. Vielleicht hat die Fridays-for-Future-Generation ja schon begriffen, wo die Reise hingeht und wie sehr die Zeit drängt. Die Politik, so steht angesichts der derzeitigen Tatenlosigkeit zu befürchten, hat es nicht.

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