Kommentar zum Antisemitismus Härte zeigen

Meinung · Die Justiz muss alle Mittel ausschöpfen. Und jeder einzelne muss Antisemitismus entgegentreten, wo immer er auf ihn stößt, kommentiert Nils Rüdel.

Drei Ereignisse aus jüngster Zeit: Mitten im bunten Berliner Helmholtz-Kiez werden zwei Kippa tragende Männer angegriffen. Der Täter prügelt mit einem Gürtel auf das Opfer ein, ruft „Yahudi“ – Arabisch und Türkisch für „Jude“. Bei der Echo-Verleihung werden die Rapper Kollegah und Farid Bang ausgezeichnet. In einem ihrer Stücke heißt es: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal ‘nen Holocaust, komm‘ an mit dem Molotow.“ Die Entwicklungshilfeorganisation GIZ geht gegen Postings von Mitarbeitern im Internet vor. Einer hatte eine Israelflagge mit einem Hakenkreuz statt eines Davidsterns gezeigt. Dazu der Satz: „Ich hasse Israel“.

Den drei Ereignissen liegen unterschiedliche Motive zu Grunde. Im ersten Fall ist es blanker Antisemitismus. Im zweiten Fall mindestens eine Verharmlosung des Holocaust, und eine Geschmacklosigkeit dazu. Im dritten Fall scheint es sich um aus dem Ruder gelaufene Solidarität mit den Palästinensern zu handeln.

Die drei Ereignisse aber zeigen gemeinsam: Es läuft etwas grundfalsch. Zwar funktioniert jeweils der politische und gesellschaftliche Reflex, Antisemitismus und Holocaust-Verharmlosung mit Empörung zu begegnen. Es wird ermahnt, angeklagt und verurteilt – aber es ändert sich nichts. In Deutschland gibt es im Schnitt vier antisemitische Straftaten pro Tag. In Berlin hat die Zahl antisemitischer Vorfälle, also auch Taten unterhalb der Strafbarkeit, 2017 um 60 Prozent zugenommen. In Bonn trauen sich Juden nicht mehr mit Kippa auf die Straße, wie Margaret Traub, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, kürzlich im GA-Interview schilderte. In Reden heißt es immer: „Wehret den Anfängen.“ Doch wann hat der Anfang begonnen? Erst wenn, wie in Frankreich, Tausende Juden aus Angst das Land verlassen?

Antisemitismus ist nicht nur in Neonazi-Kreisen verankert, er frisst sich durch das Bürgertum. Bei den Neurechten, die von einer internationalen Verschwörung jüdischer Unternehmer von Rothschild bis Soros fiebern. Bei Schlussstrich-Rufern, die nicht mehr mit den dunkelsten Jahren der Geschichte belästigt werden wollen. Auf der linken Seite des Spektrums, wo der Grenzbereich zwischen Kritik an Israels Regierung und Antisemitismus rutschig wird. Und unter manchen muslimischen Migranten, die mit Israel-Hass aufgewachsen sind und ihr Weltbild hier ausleben.

Das Judentum gehört seit jeher zur deutschen Gesellschaft. Zeit, dass sich diese Gesellschaft endlich konsequent gegen die Hasser, Verächtlichmacher und Verharmloser wehrt. Schulen und Lehrer müssen so ausgestattet werden, dass sie Toleranz vermitteln und bei Intoleranz Härte zeigen können. Islamverbände und Moscheen müssen klar Position beziehen. Die Justiz muss alle Mittel ausschöpfen. Und jeder einzelne muss Antisemitismus entgegentreten, wo immer er auf ihn stößt.

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