Wahlparteitage vor der Bundestagswahl Grüne und FDP kämpfen um Platz Drei

BERLIN · Die Grünen und die Liberalen starten sieben Tage vor der Wahl den Endspurt im Kampf um die Wählerstimmen. Beide Parteien haben das Rennen um Platz drei noch nicht aufgegeben und wollen in einer Regierung mitmischen.

Alle, wirklich alle sollen jetzt mit ins Boot geholt werden: die Großtante, der Ex, die Oma und wen es in der Verwandtschaft und im bisherigen Leben von Grünen sonst noch gegeben hat. Katrin Göring-Eckardt hat gerade den Grünen-Wahlparteitag auf die letzten sieben Tage dieses Bundestagswahlkampfes eingestimmt. Eine Woche vor dem Wahltag rüttelt die Spitzenkandidatin ihre Partei noch einmal wach: „Es ist noch nichts entschieden. Es ist knapp, und es bleibt knapp.“ Es gehe am 24. September schließlich um die Frage, „ob wir so stark werden, dass wir als dritte Kraft in die Bundesregierung eintreten – und eben nicht die FDP“. Dafür also ran an die Großtante, wie Göring-Eckardt sagt: „Jetzt ist der Moment, da ruf‘ ich an.“ Oder der Ex, der „unbedingt die Beziehung noch aufarbeiten“ wollte: anrufen, zuhören, Wahlempfehlung für Grüne abgeben.

Die Grünen haben sich eine Woche vor der Wahl am kommenden Sonntag im Gasometer in Berlin-Schöneberg versammelt, um alle Kräfte für den Endspurt zu mobilisieren. Etwa fünf Kilometer Luftlinie entfernt tagt der schärfste Konkurrent, die FDP, in gleicher Sache. Spitzenkandidat Cem Özdemir muss gleich nach dem Parteitag weg: zum Fernsehduell mit FDP-Chef Christian Lindner.

Auch die Stelle hinter dem Komma ist wichtig

Es geht am Wahlabend auch um die Stelle hinter dem Komma. „Ich lass mir doch von einem Lindner, dieser One-Man-Show, keine Haltungsnoten in Oppositionsarbeit geben“, heizt Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann die Stimmung an. „Das einzige Schwarz-Gelb, was Deutschland braucht, sind mehr Bienen, Wespen und Hummeln“, so der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer.

„Der Kampf um Platz drei ist offen“, sagt denn auch Parteichefin Simone Peter. „Wir werden hart verhandeln, wenn wir dazu kommen.“ Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Noch nie war die Bronzemedaille so wichtig wie heute.“

Genau das ist das Ziel der Grünen: zurück in die Bundesregierung. Spitzenkandidatin Göring-Eckardt stimmt die knapp 100 Delegierten dieses kleinen Parteitages darauf ein, dass mögliche Koalitionsgespräche kein Rendezvous mit einem Wunschpartner würden. Man werde sich in einem solchen Fall mit Mitbewerbern an einen Tisch setzen müssen, „für die es untypisch ist, mit uns zu verhandeln“. Das Wort „Jamaika“ fällt nicht. Aber Göring-Eckardt weiß: Wegen der Schwäche der SPD werden Grüne aller Voraussicht nach nur mit CDU, CSU und FDP zurück in die Regierung kommen – nach bislang 4238 Tagen in der Opposition, wie sie nachgezählt hat.

Alternativlosigkeit der großen Koalition

„Liebe Freunde, GroKo forever, das ist nicht unser Ding“, ruft Ex-Parteichefin Claudia Roth in den Saal. Oder wie es Özdemir beschreibt: „Diese in Stein gemeißelte Alternativlosigkeit der großen Koalition“. GroKo bedeute Stillstand, Schwarz-Gelb Rückschritt. „Zwölf Jahre (in der Opposition) sind genug. Sie haben dem Klima geschadet. Sie haben auch dem gesellschaftlichen Klima geschadet“, so Göring-Eckardt. „Der Planet fiebert, die Meere steigen und steigen.“

Die Grünen setzen in den letzten sieben Tagen auf die Kraft der Sonnenblume. Co-Fraktionschef Toni Hofreiter betont die Bedeutung einer Regierungsbeteiligung mit Blick auf den Klimaschutz: „Hey, Meeresspiegel, wir haben uns geirrt“ – Politik nach einer solchen Devise werde nicht funktionieren. „Wir brauchen endlich wieder eine Bundesregierung, die sich traut, Gesetze durchzusetzen“, wettert Hofreiter in Sachen Diesel-Krise. Parteichef Özdemir sagt dann noch „in leichter Sprache, damit es auch die FDP versteht: Bündnis 90/Die Grünen bekennen sich zum Automobilstandort Deutschland, aber wir spielen das nicht aus gegen saubere Luft in den Städten.“ Dann geht Özdemir – zum Fernsehduell mit Lindner.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort