Bundestagswahl 2017 Grüne: Glimpflich davongekommen

Berlin · Bei den Grünen überwiegt die Erleichterung vor dem AfD-Schrecken. Eine Jamaika-Koalition scheint für sie keine unrealistische Option zu sein.

Die Anhänger der Grünen brechen in frenetischen Jubel aus, als um 18 Uhr die erste Prognose für ihre Partei eingeblendet wird. Unmittelbar darauf gibt es fast ebenso lautstarke Buh-Rufe, als die hohe Säule der AfD auftaucht. "Erleichterung über unser Ergebnis, aber auch Erschrecken über das der AfD liegen bei mir dicht beieinander", sagt ein junger Mann.

Auf der Grünen-Wahlparty in der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln überwiegt an diesem Wahlabend aber erst einmal die Erleichterung. Dass sie mit gut neun Prozent der Stimmen an den Linken vorbeiziehen und Platz vier erringen - danach sah es bis kurz vor der Wahl nicht aus. Viele Umfragen sahen die Öko-Partei eher unter den 8,4 Prozent von 2013. Alles schien möglich, auch ein Debakel, das die Partei in eine neue Krise gestürzt hätte.

Doch nach erfolgreichem Schlussspurt gehen die Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt jetzt gestärkt in die absehbaren Verhandlungen mit Union und FDP über eine Jamaika-Koalition. "Ich bin nicht nur erleichtert, ich bin hoch erfreut", sagt Sabine Bangert, Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus. "Wir hatten es auch sehr, sehr schwer", meint Bangert. Die AfD habe fast ein Sechstel der Wähler geködert, für die übrigen Parteien sei es daher schwerer geworden, die Ergebnisse von 2013 zu halten. Allerdings hätten Dieselkrise, klimabedingte Wetterkatastrophen und Eierskandal den Grünen auch mehr Stimmen in die Hände spielen können.

Göring-Eckardt und Özdemir erscheinen kurz nach halb sieben auf einem langen Laufsteg mit grünem Teppich. "Wer hätte das gedacht! Viele haben nicht mehr daran geglaubt", sagt Göring-Eckardt. Ihr sind die Erleichterung des Moments und die Strapazen der letzten Wochen anzusehen. "Niemand kann sich jetzt der Verantwortung entziehen", ruft Özdemir - und meint damit vor allem seine eigene Partei.

Er gibt gleich auch ein paar erste rote Linien für Jamaika-Verhandlungen vor: "Wir können in keine Regierung gehen, ohne dass es eine klare Vorfahrt für Klimaschutz gibt", sagt Özdemir. Auch werde es mit den Grünen keine Politik geben, die sich gegen die Europa richte. Das Erstarken der AfD wirkt mobilisierend. Aufgabe der Grünen, sagt ein kämpferischer Fraktionschef Anton Hofreiter, sei es jetzt, die AfD wieder aus dem Bundestag zu verbannen.

Schon heute wollen die Grünen-Spitzengremien festlegen, wer in die Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien gehen soll. Dass sie auch die stärkste Stimme der Parteilinken, den früheren Umweltminister Jürgen Trittin, darin einbinden werden, steht entgegen einer früheren Aussage Göring-Eckardts offenbar bereits fest. Beziehen sie Trittin ein, verringern sie die Gefahr der innerparteilichen Opposition gegen Jamaika.

Özdemir wird ein Interesse am Außenministeramt in einer Jamaika-Regierung nachgesagt. Die FDP hatte ihrerseits erklärt, im Falle einer Regierungsbeteiligung würde sie das Finanzministerium beanspruchen. Auf die geschwächte Kanzlerin kommen damit keine leichten Verhandlungen zu. Das Ergebnis müsste bei den Grünen von einem Parteitag und auch noch per Mitgliederentscheid gebilligt werden. Doch auf der Wahlparty wird nur zu deutlich, dass dies keine unüberwindbaren Hürden sind.

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