Konflikt Gewalt zwischen Rechten und Flüchtlingen in Cottbus

Cottbus · Cottbus macht zurzeit wegen Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen Schlagzeilen. Eine Stadt ruft um Hilfe.

 Teilnehmer der Kundgebung des rechtsextremen Vereins "Zukunft Heimat".

Teilnehmer der Kundgebung des rechtsextremen Vereins "Zukunft Heimat".

Foto: dpa

Anfang Februar werden die Straßen in Cottbus bunt sein: Tausende kostümierte Narren werden dann traditionell beim „Zug der fröhlichen Leute“, dem längsten und größten Fastnachtsumzug Ostdeutschlands, auf die Straßen der im südöstlichen Brandenburg gelegenen 100.000-Einwohner-Stadt gehen. Am vergangenen Wochenende sah es in Cottbus anders aus: Rund 1500 Menschen folgten dem Aufruf des rechtsextremen Bündnisses „Zukunft Heimat“. Eine Landtagsabgeordnete der AfD war unter den Rednern. Anhänger der „Identitären Bewegung“, Skinheads und Nazis demonstrierten zusammen mit ganz normalen, enttäuschten Bürgern.

Was war geschehen? In der Stadt, die in den letzten Monaten wie kaum eine andere Stadt in Brandenburg Flüchtlinge aufgenommen hatte, und in dem Bundesland als Vorzeigebeispiel für Integrationsprojekte gilt, hatte es mehrere Übergriffe jugendlicher, syrischer Flüchtlinge auf Einheimische gegeben. Ein 16-jähriger Cottbuser wurde bei einer Messerstecherei verletzt. Am Neujahrsmorgen waren afghanische Flüchtlinge in ihrer Unterkunft von Neonazis überfallen worden. Die Situation eskalierte – doch schon zuvor hatten viele Faktoren zu einer brisanten Grundstimmung in der Region beigetragen.

Cottbus ist, wie alle Städte in Brandenburg, hoch verschuldet. Von der Politik fühlt sich die Stadt vernachlässigt. Immer wieder versuchte das rot-rote Kabinett im fernen Potsdam, Reformen gegen den Willen eines erheblichen Teils der Cottbuser durchzusetzen – erst wurde die örtliche Hochschule fusioniert, dann gab es eine letztlich gescheiterte Kreisgebietsreform, bei der Cottbus zwangsweise eingekreist werden sollte.

Wirtschaftliche Unsicherheit

Dazu kommt die wirtschaftliche Unsicherheit: Noch immer ist die Stadt von der Braunkohle abhängig. Zwar hat in den letzten Jahren ein Strukturwandel eingesetzt, doch längst nicht alle Menschen in der Region können daran schon teilhaben. Viele fühlen sich abgehängt. Für den Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) war das am Donnerstag ein Grund, sich mit einem lauten Hilferuf an die Öffentlichkeit zu wenden.

Vor dem Ausschuss für Inneres und Kommunales des Brandenburger Landtags machte er klar, dass der Stadt die Situation aus der Hand gleiten könnte. „Wir haben schon jetzt einzelne Familien, die Sozialarbeitern den Zugang verweigern“, sagte Kelch. Mit „Kuschelpädagogik“ komme man dort nicht weiter. „Angestellte der Stadtverwaltung werden nur noch respektiert, wenn sie mit Uniform in die Familien gehen“, sagte Kelch. „Wir haben nur noch mit Begleitung von Ordnungsamtsmitarbeitern die Möglichkeit, an die Familien heranzukommen.“ Frauen würden generell nicht ernst genommen.

Familiennachzug nicht gewachsen

Sollte sich die große Koalition im Bund auf einen Familiennachzug für Syrer einigen, sei die Stadt dem nicht gewachsen. Dann müsse man mit weiteren 1500 Zuzüglern rechnen. „Wenn wir es nicht schaffen, in die Familien zu kommen, werden wir hier Verhältnisse haben wie in vielen westdeutschen Metropolen.“ Die Stadt Cottbus habe bereits im März 2017 einen Antrag auf Zuzugssperre gestellt, dem hätte aber die Landesregierung nicht zugestimmt.

Brandenburgs rot-rote Regierung scheint langsam aufzuwachen. Während im vergangenen Jahr alle Hilferufe aus Cottbus nach Aussage der örtlichen SPD-Landtagsabgeordneten Kerstin Kircheis von den Potsdamer Verantwortlichen vor sich hergeschoben wurden, entschied Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) nun, zumindest keine Flüchtlinge mehr aus der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt nach Cottbus zu schicken. Zudem soll es mehr Polizei, mehr Sozialarbeiter und mehr Kindertagesstätten und Schulen in der Stadt geben, kündigten Schröter und seine Kabinettskollegen an.

Doch bis solche Maßnahmen greifen, wird noch viel Wasser die durch Cottbus dahinplätschernde Spree hinabfließen.

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