Kommentar zu Hassenkommentaren Gesetzentwurf von Heiko Maas ist unausgereift

Meinung · Die Lösungen im Gesetzentwurf von Heiko Maas im Kampf gegen Hasskommentare fallen alles andere als überzeugend aus, kommentiert GA-Korrespondent Gregor Mayntz.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) steht in der Kritik.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) steht in der Kritik.

Foto: dpa

Es ist klar, warum die Koalition auf der Zielgeraden ihrer Regierungszeit schnell noch die Hasslöschvorschriften fürs Internet verschärfen will. Im Netz hat sich ein menschenverachtender Umgangston breitgemacht, mit dem jeder an jedem Ort zu jeder Zeit vernichtet werden kann. Wo das besser asozial zu nennende Netzwerk zum Instrument der Lynchjustiz aufgepeitschter Wutbürger wird und Personen über Tage und Wochen öffentlich an den Pranger gestellt werden, die unbewiesenen Behauptungen noch nach Jahren durchs Netz geistern, da liegt der dringende Handlungsbedarf auf der Hand.

Es war überfällig, die amerikanische Sicht auf die Welt zu korrigieren. Wenn in Deutschland Beiträge über die Vorteile des Stillens oder Betrachtungen ästhetischer Skulpturen nach Stunden gelöscht sind, weil ein freier Oberkörper prüde Amerikaner überfordert, grauenhafter Nazi-Schund aber als Ausdruck der Meinungsfreiheit unbeanstandet bleibt, dann hat sich das Netzwerk den deutschen gesellschaftlichen Kommunikationskultur anzupassen und nicht umgekehrt. Gut, dass der Gesetzgeber im Umgang mit den multinationalen Internetgiganten das deutsche Recht als Standard für die Beurteilung von legitimen oder illegitimen Inhalten einfordert.

Allerdings fallen die Antworten im nun zu beratenden Gesetzentwurf alles andere als überzeugend aus. Das beginnt schon bei der Unterscheidung zwischen kleinen und großen Netzwerken, so als könnte ein Publikum von „nur“ zwei Millionen Nutzern keine menschenverachtende Dynamik entwickeln. Unklar bleibt auch, was Nutzer im Sinne dieses Gesetzes sind. Wird jeder mitgezählt, der schon mal vorbeigeschaut hat, oder werden nur regelmäßige Kommentatoren gewertet?

Vor allem aber stellt sich die Frage, was ein „offenkundig rechtswidriger“ Inhalt ist, der binnen 24 Stunden zu löschen ist, was „jeder rechtswidrige“ Inhalt, der binnen sieben Tagen verschwinden muss. Um es provokant zu formulieren: Müsste Böhmermanns satirische Behauptung über den türkischen Präsidenten „Am liebsten mag er Ziegen ficken“ sofort, nach einer Woche oder gar nicht verschwinden? Und was ist mit der satirisch verwendeten „Nazischlampe“ als Antwort auf die Aufforderung einer Politikerin, politische Korrektheit über Bord zu werfen? Beides haben deutsche Gerichte zugelassen.

Das zeigt, wie schwer sich eine Kommunikationsplattform mit dem Löschen von Beiträgen tun muss. Die Exekutive mag für die Durchsetzung des Gesetzes 40 Stellen schaffen, die inhaltliche Bewertung muss aber im Rechtsstaat bei der Justiz liegen. Also wird bei der anstehenden Feinarbeit noch ein gewaltiger Stapel an Hausaufgaben zu erledigen sein. Möglicherweise wird es vor den Wahlen doch nichts mehr mit den Lösch-Vorschriften. Ansonsten wird dieses Gesetz zügig beim Verfassungsgericht landen. Und das ganz offenkundig.

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