Kommentar zur Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst Gegen das Schweigen

Meinung | Köln · Auf selten offene Ohren stoßen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit Klagen, dass ihnen immer öfter kein Respekt entgegengebracht werde. Jetzt wollen die Angestellten in Bund, Ländern und Kommunen nicht mehr schweigen.

 Klaus Dauderstädt, Vorsitzender des Beamtenbundes, bei der Jahrestagung in Köln.

Klaus Dauderstädt, Vorsitzender des Beamtenbundes, bei der Jahrestagung in Köln.

Foto: dpa

In Zeiten von Terrorbedrohung und Flüchtlingsdruck besinnt sich die Politik auf den öffentlichen Dienst, auf die Helfer von der Polizei, der Verwaltung, der Aufnahmestellen für Asylbewerber, ohne die die staatliche Ordnung schnell zusammenbrechen würde. Das Motto vom schlanken Staat wirkt heute so veraltet wie ein zehn Jahre altes Handy. Die politische Prominenz, die am Montag in Köln bei der traditionellen Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes (dbb) erschien, hielt genau diese Botschaft bereit.

Auf selten offene Ohren stoßen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes daher wohl auch mit Klagen, dass ihnen immer öfter kein Respekt entgegengebracht werde. Das ganze Ausmaß des Problems ist statistisch kaum erfasst. Zwar gibt es Zahlen für die Polizei, wonach etwa letztes Jahr 64.000 Beamte bedroht, verletzt oder Opfer versuchten Totschlags und gar Mordes wurden. Genauer wüsste man das gerne auch bei Lehrern, den Mitarbeitern in Jobcentern und Feuerwehrleuten. Unglaublich, aber wahr: Erst am vergangenen Freitag wurde ein Rettungssanitäter in Iserlohn während eines Einsatzes von einem Mann geschlagen, als er das Leben eines Angehörigen retten wollte.

Licht ins Dunkel bringen

Die Beamten und Angestellten in Bund, Ländern und Kommunen wollen jetzt nicht mehr schweigen. Einige Mitgliedsgewerkschaften und Landesverbände wie die dbb–Jugend in NRW versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen, indem sie Umfragen zu Vorkommnissen in Auftrag geben und auf Webseiten Meldungen über Fälle von Gewalt sammeln. Die NRW-Landesregierung hat vergangenen November erstmals eine Woche des Respekts veranstaltet. Und das Bundesinnenministerium lud im Sommer gemeinsam mit dem dbb zu einer Konferenz zum selben Thema ein.

Dass es nicht in Ordnung ist, wenn Busfahrer mit Steinen beworfen werden, Schwarzfahrer bei der Fahrscheinkontrolle ausrasten und Bürger den Sachbearbeiter im Finanzamt bespucken, ist offenbar nicht mehr allgemeingültig. In Ordnung ist es auch nicht, wenn Zugbegleiter nur noch mit Angst Nachtschichten absolvieren, weil sie dann besonders häufig auf aggressive Reisende treffen.

Vieles unter den Teppich gekehrt

Den Staat als Dienstherren und Arbeitgeber müssen diese verbalen und physischen Angriffe gegen seine Beschäftigten auch deshalb besorgt machen, weil er sonst kaum noch genügend interessierte und fähige Bewerber finden wird.

Bisher passiert meistens das Gegenteil: Schuldirektoren, Bürgermeister und Chefs von Jobcentern kehren gewalttätige Zwischenfälle unter den Teppich, weil sie den guten Ruf ihrer Schule, der Stadt oder der Behörde nicht riskieren wollen. Es ist höchste Zeit, dieses Schweigen zu brechen, sowohl im Interesse der Beschäftigten als auch im Interesse unserer Gesellschaft insgesamt, deren Wertegrundlagen zu erodieren drohen.

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