Insiderwissen und Netzwerke Garrelt Duin wechselt in die Wirtschaft

Düsseldorf/Berlin · Die Liste wird immer länger: Viele Politiker gehen nach ihrer Amtszeit in die Privatwirtschaft. Nun auch der frühere NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin.

Der frühere NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat beim Industriekonzern ThyssenKrupp angeheuert. Der 49-Jährige, der in Essen wohnt, arbeite seit Donnerstag bei ThyssenKrupp Industrial Solutions, bestätigte ein Unternehmenssprecher. Ab dem 1. März werde er in Dortmund die Personalverantwortung für mehrere Geschäftseinheiten im Anlagenbau übernehmen.

Duin war von 2012 bis 2017 Wirtschaftsminister in der rot-grünen Landesregierung. Er ist der nächste Spitzenpolitiker, der in die Wirtschaft gewechselt ist. Seine frühere Kabinettskollegin, Ex-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne), wechselt zum 1. Juli an die Spitze der Techniker Krankenkasse in NRW. In der Reihe der Politiker, die schon die Seiten gewechselt haben, stehen auch Gerhard Schröder (SPD), Ronald Pofalla, Eckart von Klaeden (beide CDU), Dirk Niebel und Daniel Bahr (beide FDP).

Private Unternehmen profitieren vom Insiderwissen und den Netzwerken der früheren Politiker, die dort ein Vielfaches dessen verdienen, was ihnen der Staat bieten konnte. Versilberung und Privatisierung des politischen Insiderwissens empören Anti-Lobby-Verbände und sind auch in der Bevölkerung höchst umstritten.

Bundesregierung kann Karenzzeit verhängen

Denn Politiker, die im Verdacht stehen, nur darauf zu lauern, später auf lukrative Posten in der Wirtschaft wechseln zu können, dürften Branchen und Unternehmen im Amt unkritischer begegnen. Umgekehrt erhalten Unternehmen, die Ex-Politiker einstellen, Wettbewerbsvorteile, wenn es etwa darum geht, für sie schädliche Gesetzentwürfe zu verhindern oder öffentliche Aufträge zu ergattern.

Besonders kritisch sind direkte Schnelleinstiege, wie er etwa dem Ex-Merkel-Vertrauten von Klaeden gelang. Der frühere Staatsminister im Kanzleramt wechselte Anfang 2014 nahtlos als Cheflobbyist zum Daimler-Konzern. Ein Jahr später verließ auch Pofalla das Kanzleramt Richtung Deutsche Bahn. Sein direkter Aufstieg in den Bahn-Vorstand wurde nach einer Welle der Empörung zwar gestoppt, doch im August konnte Pofalla aufrücken.

Der Fall blieb nicht folgenlos: Mitte 2015 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Einführung einer Karenzzeit. Minister und parlamentarische Staatssekretäre müssen nun anzeigen, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in der Privatwirtschaft aufnehmen wollen. Bei einem Interessenkonflikt kann die Bundesregierung eine Karenzzeit verhängen: im Ausnahmefall 18 Monate, sonst zwölf. „Kann“, wohlgemerkt. Sanktionen sind nicht vorgesehen, und es gilt nicht für beamtete Staatssekretäre, die meist über besonders viel Insiderwissen verfügen. Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer etwa konnte direkt aus dem Bundesfinanzministerium jetzt ebenfalls zur Bahn wechseln. (Mit Material der afp)

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