Kommentar zum Weltkulturerbe Fragwürdig

Meinung | Bonn · Die Praxis ist fragwürdig – und zwar nicht erst seit der umstrittenen Entscheidung, die Altstadt von Hebron zum palästinensischen Welterbe zu erklären, kommentiert GA-Redakteur Sylvia Binner.

Die Höhlen mit Eiszeitkunst unter der Schwäbischen Alb, der Sklavenhafen in Rio de Janeiro, Zeugnisse des Bauhauses in Dessau und in Bernau – die Liste der Weltkulturerbe-Stätten wird lang und länger. 1052 Stätten in 165 Ländern zählen bisher zum Kultur - oder Naturerbe, noch bis zum Mittwoch tagt das Welterbe-Komitee der Unesco in Krakau – und entscheidet über die Aufnahme von mehr als 30 neuen Stätten. Ende offen.

Die Praxis ist fragwürdig – und zwar nicht erst seit der umstrittenen Entscheidung, die Altstadt von Hebron zum palästinensischen Welterbe zu erklären. Allerdings wird an dieser Stelle besonders deutlich, wie wenig Fingerspitzengefühl für das Pulverfass im Nahen Osten die Unesco an den Tag legt. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht, schließlich verehren alle drei großen abrahamitischen Religionen die Patriarchengräber Abrahams, Isaaks und Jakobs.

Verständlich also der Zorn der Israelis und ihres Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der als Konsequenz die Zahlungen an die UN empfindlich kürzte. Das dürfte nicht der einzige Schaden sein, der aus dieser Fehlentscheidung erwächst. Schon drohen die Israelis, ihren Deutungsanspruch auf die biblische Geschichte durch eigene Museumsbauten zu manifestieren. Die Folge: neue Zwietracht.

Auch wenn andernorts, wie in Baden-Württemberg, die Freude groß ist, muss die Frage erlaubt sein, was die Aufnahme in die inflationär wachsende Liste langfristig bringt, ob die Kriterien stimmen und der konservatorische Zweck erreicht wird. Der touristische Reiz jedenfalls sinkt angesichts des Überangebots.

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