Kommentar zur Debatte um Horst Seehofer Frage des Wann

Meinung | Berlin · Horst Seehofer ist nicht erst seit der Wahl ein CSU-Chef mit begrenzter Haltbarkeit. Vor Monaten hatte er sich selbst auf die Liste der alsbaldigen Polit-Rentner gesetzt und seinen Abschied angekündigt. Als es zum Schwur kam, sah er die Zeit noch nicht gekommen.

 Unter Druck: CSU-Chef Horst Seehofer.

Unter Druck: CSU-Chef Horst Seehofer.

Foto: dpa

Horst Seehofer ist angeschlagen. Es ist allen Kräften in der CSU – inklusive Seehofer selbst – klar, dass es nicht mehr darum geht, ob er abtritt, sondern wann. Das Heldentum der bayerischen Jungen Union ist also überschaubar. Niemand aus dem ehrgeizigen Nachwuchs setzt seine Karrierechancen aufs Spiel, wenn er den CSU-Chef und Ministerpräsidenten jetzt demonstrativ auf die Abschussliste setzt. Eher im Gegenteil. Die geschickteren Jungunionisten werden schon heute wissen, für wen sie den Weg freimachen möchten.

Markus Söder hat sie dafür schon mal öffentlich gelobt. Er weiß selbst, wie unklug es wäre, schon jetzt die Deckung zu verlassen, und wagt sich doch erstaunlich weit nach vorne. So ein Machtwechsel produziert manchmal Opfer, die man eben noch für potenzielle Sieger gehalten hätte. Königsmörder werden hart bestraft, auch wenn alle den König loswerden wollten. Ein paar andere mögliche Nachfolger halten sich eher zurück. Das war noch nie die Stärke von Söder.

Seehofer ist nicht erst seit der Wahl ein CSU-Chef mit begrenzter Haltbarkeit. Vor Monaten hatte er sich selbst auf die Liste der alsbaldigen Polit-Rentner gesetzt und seinen Abschied angekündigt. Als es zum Schwur kam, sah er die Zeit noch nicht gekommen. Seehofer hatte schon immer ein Problem damit, rechtzeitig aufzuhören. Das scheint in seiner Persönlichkeit zu liegen und hätte ihn nach eigenem Bekunden vor Jahren beinahe die Gesundheit und das Leben gekostet.

Ihn wird auch nicht retten, wenn er bei den Jamaika-Verhandlungen ein gutes Ergebnis für die CSU herausholt. Berlin ist wichtig für die Christsozialen, die Musik spielt aber traditionell in Bayern. Wenn Seehofers Kopf gefordert wird, dann geht es um die Landtagswahlen im kommenden September. Den drohenden Verlust der absoluten Mehrheit will die CSU um jeden Preis verhindern. Dass Seehofer mit der verkorksten Debatte um die Obergrenze ein hohes Risiko darstellt, ist der ganzen Partei klar. Seehofer hat keine Antwort auf die Herausforderung der AfD im Land. Solange die CSU im Bund mitregieren will, kann sie sich auch nicht komplett von Merkels Politik lösen. Ein echtes Dilemma, denn die CSU muss beides wollen: Macht in Bayern und im Bund.

Ein paar hausgemachte Probleme kommen hinzu. Seehofer hat sich über die Jahre durch seine Blockade eines Machtübergangs und durch viele bisweilen schwer erklärbare Alleingänge Feinde gemacht. In Bayern und in der CSU spielen die Landsmannschaften eine große Rolle. Seehofer ist aus Ingolstadt. In seiner Heimatstadt und in der Region Niederbayern war die AfD besonders stark.

Wie wehrt sich der erfahrene Politikprofi Seehofer? Er versucht, Zeit zu gewinnen und fordert eher halbherzig eine Entscheidung nach einer Regierungsbildung in Berlin. Gut möglich, dass es nicht mehr so lange dauert.

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