Die Frage nach dem Gütesiegel Es geht um die Wurst

BONN · Tierfreunde haben es im Supermarkt nicht leicht. Wer sichergehen will, dass sein Würstchen oder Kotelett als Schwein ein Leben ohne Qual führte, muss sich durch ein Dickicht von Prüfzeichen, Gütesiegeln und Werbesprüchen kämpfen. Nicht alle halten, was sie versprechen.

 Von glücklichen Schweinen? Für Kunden ist schwer zu erkennen, aus welcher Haltungsform Fleisch stammt.

Von glücklichen Schweinen? Für Kunden ist schwer zu erkennen, aus welcher Haltungsform Fleisch stammt.

Foto: DPA

Der Aufdruck "aus artgerechter Tierhaltung" besage zum Beispiel lediglich, dass die für alle Landwirte gültigen gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden, sagt Lebensmittel-Expertin Sophie Herr vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. "Auch die idyllischen Bauernhof-Bilder auf den Verpackungen haben nichts mit der Realität zu tun."

Ein Verfahren wie bei der Initiative Tierwohl, wo Supermärkte für alles verkaufte Fleisch eine bestimmte Summe für eine bessere Tierhaltung beisteuern, hält die Verbraucherschützerin für "im Grundsatz nicht verkehrt". Noch gehen ihr die Anforderungen der Anfang dieses Jahres gestarteten Tierwohl-Initiative allerdings nicht weit genug. "Da muss man abwarten, wie ambitioniert sich die Initiative weiterentwickelt." Zu den Kriterien bei Tierwohl für Mastschweine zählen bisher unter anderem Tageslicht im Stall, Scheuermöglichkeiten, mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und eine Luftkühlung im Sommer.

Auch dem Deutschen Tierschutzbund reicht das nicht. "Die Freiwilligkeit ohne klare Zielsetzungen im Sinne des Tierschutzes, keine zusätzliche auf Tierschutz fokussierte Beratung, die fehlende Transparenz für den Verbraucher: Das sind alles Gründe, warum wir die derzeitige Methodik nicht für zielführend halten", so Verbandspräsident Thomas Schröder.

Die Tierschützer dürften die branchenübergreifende Initiative allerdings auch als Konkurrenz zu ihrem eigenen Siegel betrachten: Das hellblaue Siegel "für mehr Tierschutz" kennzeichnet Fleisch, das aus besonders artgerechter Tierhaltung stammt. Es gibt eine Einstiegsstufe - gekennzeichnet mit einem Stern - und eine mehr Anforderungen an die Halter stellende "Premium-Stufe" (zwei Sterne). Es beinhaltet wie die Initiative Tierwohl Anforderungen an Platz, Luft und Licht im Stall. Dazu kommen Vorschriften für Transport und Schlachtung der Tiere. "Das Label setzt sinnvolle Kriterien und bietet durch die zwei Stufen den Landwirten auch einen Anreiz zur Weiterentwicklung", urteilt Verbraucherschützerin Herr. Doch wird noch so wenig Fleisch mit dem Siegel produziert, dass die Suche im Supermarkt für Kunden schwierig werden dürfte. Bundesweit erfüllen 25 Hühnermäster die Anforderungen des Tierschutzbundes, dazu kommen 14 Schweinemäster.

Auch die Universität Bonn arbeitet mit dem Projekt "MarkiT" an Kennzeichnungsverfahren für Fleisch aus besonders tierfreundlicher Haltung. Gemeinsam mit Edeka Nord wollen Wissenschaftler aus Bonn und Kiel untersuchen, wie die Handelsgruppe Einfluss auf die Haltungsbedingungen ihrer Lieferanten nehmen kann.

Ob Tierfreunde mit dem Bio-Siegel beruhigt Fleisch einkaufen können, ist auch unter Experten umstritten. Zuletzt hatte die Verbraucherorganisation Foodwatch auf Missstände bei der Haltung von Bio-Geflügel hingewiesen. Zudem zahlen Verbraucher, denen das Tierwohl wichtiger ist als etwa die ökologische Futterproduktion, bei Bio-Produkten für Kriterien mit, die für sie vielleicht überflüssig erscheinen. "Bio wird nicht die Lösung für alles sein", sagt Verbraucherschützerin Herr.

Der Deutsche Tierschutzbund geht dagegen davon aus, dass Bio-Betriebe "ohne größere Probleme auch die Premiumstufe" seines Tierschutzlabels erreichen können.

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