Kommentar zur Wahl Angela Merkels Erst mal sammeln

Meinung | Bonn · Das knappe Ergebnis bei der Wahl Angela Merkels zeigt die Unstimmigkeiten innerhalb der Groko. Doch die Meinungsvielfalt lässt auch auf spannende Debatten im Bundestag hoffen. Ein Kommentar von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

Es war kein starker Start in die kommenden dreieinhalb Jahre SPD/Union-Regierung. Die Deutung des knappen Ergebnisses für die Wahl Angela Merkels ist schwierig, weil nicht klar ist, wer sie nicht gewählt hat. Die Abstimmung war geheim. Abweichler gibt es normalerweise immer in allen Fraktionen. Aber zwei Möglichkeiten ergeben einen Sinn: Kamen die Verweigerer aus dem Lager der SPD, dann war es vielleicht ein letztes Aufflackern der Verwerfungen innerhalb der Sozialdemokratie.

Kamen Abweichler aus den Reihen der CDU und CSU, dann mag man an die Vorboten einer Merkeldämmerung denken, die ohnehin seit Wochen in vielen Medien beschworen wird. In jedem Fall ist das Ergebnis ein Hinweis auf kommende Schwierigkeiten, die Mehrheit des Bundestages hinter den Projekten der Koalition zu versammeln. Merkel geht in eine schwierige neue Amtszeit.

Schwierig wird es auch für Andrea Nahles. Das Machtzentrum innerhalb der SPD verlagert sich in die Fraktion, denn dort amtiert die Vorsitzende der Partei ebenfalls als Chefin. Nahles wird das Ergebnis der Abstimmung an diesem Mittwoch genauso aufmerksam registriert haben wie Merkel. Einige Mitglieder der SPD-Fraktion hatten schon im Vorfeld der Wahl deutlich gemacht, nicht für Merkel stimmen zu wollen.

Nahles muss jetzt beides schaffen: Die Fraktion zu einem verlässlichen Teil der Koalitionsregierung machen. Gleichzeitig wird sie daran arbeiten müssen, nicht an den inneren Verwerfungen ihrer Partei zu scheitern. Sie wird sich ihre Autorität noch erarbeiten müssen. Die Voraussetzungen dafür sind freilich gegeben.

Ernsthaftigkeit stärkt das Ansehen des Parlaments

Sammeln muss sich auch die Opposition. Sie besteht aus vier Parteien, darunter zwei an den Rändern des politischen Spektrums. Gemeinsamkeiten sind knapp. Das nützt der Regierung, die es etwas leichter hat, wenn sich das Parlament mit Fragen beschäftigt, die nur für die Tribüne aufgerufen werden. Die AfD lässt da eine starke Neigung erkennen.

Ernsthaftigkeit stärkt das Ansehen des Parlaments, das ein Ort der Auseinandersetzung sein sollte und kein Forum für Propaganda. Gleichwohl gibt es jetzt vier Stimmen, die Meinungsvielfalt verbürgen. Das lässt auf spannende Debatten im Bundestag hoffen, der wieder wichtig werden kann.

Und das Land? Die Zeichen stehen auf weiter so. In unruhigen Zeiten ist das vielleicht nicht die umfassende Antwort auf die großen Fragen der Zeit. Aber die Befürworter großer politischer Lösungen haben sehr oft auch die großen Katastrophen heraufbeschworen. Kontinuität gibt den Kritikern der Groko Zeit, mehrheitsfähige Alternativen zu entwickeln.

Eine verlässliche Regierung eines verlässlichen Landes ist schon mehr, als viele Staaten derzeit bieten. Und wem das nicht reicht? Die nächste Wahl kommt bestimmt. Jetzt wird erst einmal regiert.

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