Regierungsbildung Dobrindt: „Familiennachzug ist ein falsches Signal in die Welt“

Der neue CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt spricht in einem Interview über Ausgangspositionen für eine Jamaika-Koalition. Jürgen Trittin spielt dabei für die Grünen eine Hauptrolle.

 Der CSU-Landesgruppenchef :Alexander Dobrindt.

Der CSU-Landesgruppenchef :Alexander Dobrindt.

Foto: dpa

Alexander Dobrindt ist seit Ende September der neue CSU-Landesgruppenvorsitzende. Er strebt eine schärfere Positionierung der CSU-Abgeordneten in Berlin an. Mit ihm sprachen Kristina Dunz und Gregor Mayntz.

Herr Dobrindt, Sie haben mühevoll einen Kompromiss mit der CDU zur Migrationspolitik geschlossen. Ist der für die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition jetzt in Stein gemeißelt?

Alexander Dobrindt: Es geht hier nicht um politische Farbenlehre, sondern um ein zwingend notwendiges Regelwerk der Migration. Unsere Aufgabe ist es, die uns von den Wählern aufgegebene Agenda zur Flüchtlingspolitik abzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass sich die Flüchtlingsbewegung nach Deutschland dauerhaft klar reduzieren lässt. Dazu gehört die Festlegung auf die Aufnahme von maximal 200.000 Menschen pro Jahr, die Fluchtursachen-Bekämpfung, die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, der Schutz der Grenzen, die Einrichtung von Entscheidungs- und Rückführungszentren und die weitere Aussetzung des Familiennachzugs.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin hat gerade Letzteres als Verleugnung christlicher Werte bezeichnet. Wie steht Ihre Partei mit dem C im Namen dazu?

Dobrindt: Eine Lockerung beim Familiennachzug würde nicht zu weniger, sondern zu mehr Zuwanderung führen. Wir reden hier über Menschen, die subsidiären, also klar Schutz auf Zeit genießen. Diese Menschen sollen auch wieder zurück in ihre Heimat gehen können. Diese Rückführungen werden durch Familiennachzug deutlich erschwert. Außerdem ist es auch ein falsches Signal in die Welt. Alle sollten akzeptieren, dass die Integrationsfähigkeit unseres Landes eine Grenze hat.

Sie werden bei den Sondierungsgesprächen aber wie schon 2013 auf Jürgen Trittin treffen. Was passiert, wenn die Grünen beim Familiennachzug hart bleiben?

Dobrindt: Ich habe erlebt, wie Jürgen Trittin 2013 die Verhandlungen über Schwarz-Grün torpediert hat mit seinen unrealistischen Forderungen nach einer Vielzahl von Steuererhöhungen. Möglicherweise hat er Interesse daran, die Verhandlungen über Jamaika diesmal mit dem Thema Migration zu verunmöglichen.

Dann doch irgendwie große Koalition, die ja eine absolute Ausnahmesituation sein soll?

Dobrindt: Die große Koalition hat in der vergangenen Wahlperiode in weiten Politikbereichen eine gute Arbeit geleistet. Wir wissen aber auch: Große Koalitionen können die Ränder stärken. Deshalb soll das keine Dauereinrichtung sein. Ich habe dennoch überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich die SPD verantwortungslos vom Acker macht und aus parteitaktischen Gründen für Gespräche gar nicht zur Verfügung steht. Die SPD glaubt wohl, sie brauche vier Jahre Auszeit von der Politik. Man sollte in der Politik immer bereit sein, Verantwortung zu übernehmen – wenn das aus inhaltlichen Gründen dann nicht zusammenpasst, ist das etwas anderes. Aber sich komplett zu verweigern, ist schäbig und zeugt nicht von einer politischen Haltung.

Die CSU hat viele Wähler an die AfD verloren. Wie will die CSU jetzt diese rechte Flanke schließen?

Dobrindt: In allen Regionen Deutschlands haben die etablierten Parteien an die AfD verloren. Es ist der gemeinsame Auftrag aller demokratischen Parteien, dafür zu sorgen, dass eine Rechterandpartei wie die AfD nicht zur Dauereinrichtung im Bundestag wird. Die Ursachen, die zu einem 13-Prozent-Wahlergebnis der AfD geführt haben, müssen beseitigt werden.Neben dem Thema Migration müssen die sozialen Themen eine große Rolle spielen, die innere und äußere Sicherheit sowie die Sicherheit bei Arbeit, Wachstum und Wohlstand. Die Angst vor sozialem Abstieg ist im Osten deutlich größer als im Westen. Auch daraus entsteht Protest. Wir brauchen eine neue Strukturpolitik im Osten. Dazu gehört die Ansiedlung von Behörden und Industrie.

Welche?

Dobrindt: Jetzt geht es darum, die grundlegende Entscheidung für eine Strukturpolitik zu treffen.

Sollten Bundeskanzlerin Angela Merkel oder CSU-Chef Horst Seehofer Platz für die nächste Generation machen?

Dobrindt: Beide haben doch einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung. Den wollen wir gemeinsam erfüllen.

Haben Sie Zweifel an seiner Wiederwahl beim CSU-Parteitag?

Dobrindt: Nein.

Wie bewerten Sie die Rücktrittsforderungen an Ihren Seehofer?

Dobrindt: Ich halte solche Beiträge in der jetzigen Phase einer historischen Situation für die CSU mit schwierigsten Verhandlungen in Berlin für kontraproduktiv und in Teilen auch unfair geführt. Wir haben eine der größten Herausforderungen für die CSU seit Jahrzehnten: die Durchsetzung der notwendigen Inhalte bei einer Regierungsbildung nach einem schwierigen Wahlergebnis. Konkurrenzsituationen übrigens sind Normalität – nicht nur in der Politik, aber es sollte fair und transparent zugehen. Und daran sollten sich alle halten.

Ist das eine Ermutigung für den bayerischen Finanzminister Markus Söder?

Dobrindt: Ich gebe keine Empfehlungen an irgendjemanden speziell ab.

Sie haben beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union gesagt, CDU und CSU bräuchten mehr Politiker wie den CDU-Finanzstaatssekretär Jens Spahn sowie weniger Angst. Was heißt das?

Dobrindt: Jens Spahn macht mutige, klare und konservative Politik. Damit eckt er an und ist nicht jedermanns Liebling. Mir gefällt das.

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